PUDI Projektdetails
Landschaftsökologische Analyse von Wild-Unfällen in Baden-Württemberg
Suchant, Rudi
01.01.2004 - 31.03.2007
Beschreibung
Dieses Projekt hat über einen Zeitraum von drei Jahren Daten zu Wildunfällen mit dem Ziel gesammelt, landschaftsökologische Zusammenhänge in Verbindung mit dem Auftreten von Wildunfallschwerpunkten zu analysieren. Dadurch soll einerseits das Potenzial für Reduktionsmaßnahmen von Wildunfällen durch Landschaftsgestaltung abgeschätzt werden können und andererseits eine objektive Grundlage für die Situation und Verteilung von Wildunfällen in Baden-Württemberg erhoben werden. Als Fokusarten für die Untersuchung sind das Reh (Capreolus capreolus) und das Wildschwein (Sus scrofa) gewählt worden. Beide Arten kommen praktisch flächendeckend in Baden-Württemberg vor. Sie sind häufig in Wildunfälle verwickelt und aufgrund ihrer Größe stellen sie zudem bereits ein hohes Risiko für gravierende Personen- und Sachschäden dar. Aufgrund ihrer jagdlichen Bedeutung kann ein hohes Interesse durch die Jägerschaft vorausgesetzt werden. Zu Beginn des Projektes stand zunächst die Frage nach landesweit bestehenden Daten zu Wildunfällen. Durch die jagdliche Verwaltungsstruktur wird im Auftrag des MLR einmal jährlich die Landesjagdstatistik durch die Wildforschungsstelle des Landes Baden-Württemberg zusammengefasst. Sie enthält bis zur Auflösung auf die Gemeindeebene für jagdlich relevante Arten wichtige Kenngrößen und hier für das Projekt besonders wertvoll neben der Gesamtstrecke auch gesondert ausgewiesen die auf den Straßen verunfallten Tiere. In dieser Form werden die Daten seit 1999 für Baden-Württemberg einheitlich erhoben und konnten durch uns genutzt werden. Berücksichtigt werden in den Analysen die Jagdstatistik der sieben Jahre von 1999 bis 2005. Eine genaue Lage der Wildunfälle auf den jeweiligen Verkehrsträger, wie er für die spezifischeren Fragestellungen benötigt wurde war damit allerdings nicht vorhanden. Überraschenderweise haben Recherchen bei der Polizei und den Kfz-Versicherungen (Schadensregulierung) ergeben, dass die Daten in solcher Form erhoben oder vorgehalten werden, dass sie entweder für diese Auswertungszwecke unbrauchbar, unvollständig oder nicht mit vertretbaren Aufwand aufgearbeitet werden konnten. Im Rahmen des Projektes erfolgte daher eine abgestimmte landesweite Befragung der Jägerschaft auf Hegeringebene, der flächig verteilten Forstämter in der Struktur vor der Verwaltungsreform und der Straßenbauämter. Um nicht mit einer unüberschaubaren Flut von Einzelmeldungen konfrontiert zu werden, fragten wir gezielt nach Wildunfallschwerpunkten. Damit wollten wir erreichen, dass uns vor allem solche Straßenabschnitte gemeldet werden, an denen sich regelmäßig Wildunfälle ereignen. Als Definition gaben wir mindestens drei Wildunfälle im Jahr im Durchschnitt der letzten fünf Jahre auf einem maximal 500m langen Verkehrsabschnitt vor. Ergänzend zu den Angaben über die Wildunfallschwerpunkte erhielten wir Karten mit der gekennzeichneten Lage des betroffenen Verkehrsträgers. Aufgrund des großen Umfangs und der freiwilligen Teilnahme an der Befragung war diese zwar zeitintensiv, die Resonanz aber überwiegend positiv. Als Ergebnis dieser Befragung liegen nach Auswertung der Fragebögen und Karten lagegenau auf dem Verkehrsnetz Baden-Württembergs 1560 Wildunfallschwerpunkte konkret vor. Diese Zahl stellt eine Minimumangabe dar und liegt vermutlich bei vollständiger Erfassung jenseits von 2000. Als Grundlage für die Digitalisierung dienen Atkis-Linienthemen des Landesvermessungsamtes, die auch eine spätere Verwendung Dritter erleichtert. Die Verteilung der Wildunfallschwerpunkte zeigt deutlich eher schwächer betroffene Regionen wie den Schwarzwald oder solche, die wie die Oberrheinebene sowie die Ballungsräume Stuttgart oder Karlsruhe von mehr Wildunfallschwerpunkten betroffen sind. Wie sich zeigt, verunfallen in den erfassten 1560 Wildunfallschwerpunkten im Durchschnitt der berücksichtigten sieben Jahre der Jagdstatistik rund 40% aller Rehe und Wildschweine. Auffallend sind die wenigen Angaben von Wildunfallschwerpunkten auf Gleisanlagen ? hier besteht noch offensichtlicher Untersuchungsbedarf. Bei der Verteilung der Wildunfallschwerpunkte von Rehen und Wildschweinen auf die normalisierten Netzlängen der jeweiligen Verkehrsträger Gemeinde-, Kreis-, Land- und Bundesstraße sowie Autobahnen wird die Bedeutung des Faktors Verkehr für das Zustandekommen von Wildunfällen sichtbar: in genannter Reihenfolge nimmt die relative Anzahl der Wildunfallschwerpunkte bis auf die Autobahnen von den Gemeinde- zu den Bundesstraßen um den Faktor acht zu. Mit zunehmender Ausbaugröße und den damit verbundenen höheren Verkehrsvolumen steigt auch die Zahl der Wildunfallschwerpunkte. Autobahnen sind wohl bereits aufgrund ausgedehnter wildsicherer Zäunung davon ausgenommen. Werden die zu Grunde liegenden durchschnittlichen Zahlen der Verkehrsverluste von Rehen und Wildschweinen in den Wildunfallschwerpunkten auf die normalisierten Netzlängen des jeweiligen Verkehrsträgers zusätzlich betrachtet, ergeben sich Verschiebungen. Dann liegen die Wildunfallschwerpunkte von Landstraßen mit durchschnittlich 5,1 Wildunfällen/a vor den drei Verkehrsträgern Autobahnen, Bundes- und Kreisstraßen mit 4,8 bzw. 4,6 Wildunfällen im Jahr je Wildunfallschwerpunkt. Werden die prozentualen Verkehrsverluste von Wildschweinen und Rehen auf die Länge der Wildunfallschwerpunkte normalisiert und nach Verkehrsträgern sortiert betrachtet, ergeben sich artspezifische Unterschiede zwischen den beiden Arten. Wildschweine sind dann in der Reihenfolge Kreis-, Land-, Bundesstraßen und Autobahnen zunehmend stärker betroffen. Rehe verunfallen bei relativierter Betrachtung dann jedoch auf Kreisstraßen und dann gleichauf gefolgt von Land- und Bundesstraßen. Für die Praxis der Unfallprävention ist die nachgewiesene stärkere Beteiligung der Wildschweine auf Autobahnen und Bundesstraßen insofern relevant, als dass vom Wildschwein mit seiner größeren Maße und häufigerem Auftreten in Gruppen (Rotte) ein deutlich höheres Unfallrisiko ausgeht, als vom viel leichteren Reh. Ein Abgleich der Wildunfallschwerpunkte und installierten Präventionsmaßnahmen ergibt offensichtlich eine geringe Wirksamkeit der Maßnahmen Straßenverkehrszeichen ?Achtung Wildwechsel" und Reflektoren. Angaben über Duftzäune liegen einfach im zu geringen Umfang vor, erscheinen aber in der begleitenden Befragung unter der Jägerschaft nicht Erfolg versprechend. An rund 25% der Wildunfallschwerpunkte befinden sich Maßnahmen, überwiegend das Straßenverkehrszeichen ?Achtung Wildwechsel". Für die landschaftsökologische Analyse sind die Daten der Wildunfallschwerpunkte und der Jagdstatistik zwei Maßstabsebenen zugewiesen worden. Die auf gemeindeweise vorliegenden Daten der Jagdstatistik werden der regionalen und überregionalen, die Wildunfallschwerpunkte der lokalen Maßstabsebene zugeordnet. Maßstabsabhängig sind verschiedene Parameter, mit denen ein Zusammenhang im Auftreten von Wildunfällen bzw. Wildunfallschwerpunkten angenommen wurde in Bezug auf die Gemeindeflächen (Jagdstatistik) bzw. Streckenabschnitte des Wildunfallschwerpunkte analysiert worden. Als Ergebnis werden sowohl Beziehungen zur überregionalen als auch lokalen Maßstabsebene deutlich. Auf der überregionalen Ebene wird auf der Grundlage der Daten der Jagdstatistik ein deutlicher Zusammenhang mit der Gesamtstrecke, die als Indikator für die Dichte einer Art interpretiert werden kann, hergestellt. Die Berechnungen sind hochsignifikant und stimmen in der getrennten Betrachtung von Reh als auch Wildschwein überein. Bei der Analyse der konkreten Wildunfallschwerpunkte treten dann aber erklärende Variablen des Straßenverlaufs stärker in den Vordergrund. Auf der lokalen Ebene werden also eher die Parameter berücksichtigt, die das tatsächliche Risiko einer Kollision fördern, während regional bzw. überregional eher die Eignung der Landschaft als Wildtierlebensraum, die ganz maßgeblich die Dichte einer Art beeinflussen, bestimmend sind. Im anschließenden Kapitel sind die daraus abgeleiteten Empfehlungen dargestellt.