PUDI Projektdetails

Prospektive Längsschnittstudie zur Bedeutung der Ozonimmission für das Lungenwachstum von Schulkindern

Kühr, J.

01.04.1998 - 31.12.2000

Beschreibung

Über einen Gesamtbeobachtungszeitraum von 3,5 Jahren (im Mittel 1302 Tage von März 1996 bis Oktober 1999) wurde eine Population von initial 1101 Grundschülern (Alter 7,9 Jahre) aus sechs Gebieten Baden-Württembergs mit überwiegend geringer industrieller Luftschadstoff-Emmission verfolgt. Hauptziel der Studie war es langfristige Effekte der natürlichen sommerlichen Ozon-Einwirkung auf das physiologische Lungenwachstum, gemessen an der Forcierten Vitalkapazität, zu quantifizieren. Die Haupthypothese lautete: es kommt unter um den Faktor 2 unterschiedlichen sommerlichen Ozon-Konzentrationen in Abhängigkeit der Exposition zu einer statistisch signifikanten Reduktion der wachstumsbedingten Zunahme der Forcierten Vitalkapazität um mindestens 5 %. Um einen entsprechenden Gradienten in der Exposition zu gewährleisten, musste auf Niederösterreich als Niedrig-Expositionsgebiet zurückgegriffen werden. Dort fand zeitlich überlappend ein bereits vor Studienbeginn methodisch angeglichenes Projekt statt (neun Orte, n=1150 Grundschüler, Alter 7,9 Jahre). Zur Beantwortung der Haupthypothese war eine gemeinsame Analyse beider Studien notwendig. Die Wirkungsvariablen wurden in der Gesamtpopulation im wesentlichen anhand von jährlich zwei bis drei spirometrischen Lungenfunktionstestungen erhoben. Störungen an den Atemwegen wurden durch Fragebögen und Tagebücher erfasst. Sensibilisierungen auf Umweltallergene wurden im Haut-Prick-Test untersucht. Die Expositionsvariablen wurden mithilfe von Daten aus regulären Messungen der Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg gebildet und umfaßten neben der Außenluft-Ozonkonzentration auch das NO2 und die Feinstaubfraktion PM10. Um die gewonnenen Daten in Hinsicht auf die Studienhypothese möglichst umfassend auszuwerten, wurden für etwa halbjährliche Intervalle individuelle Lungenvolumen-Zunahmen (Forcierte Vitalkapazität und Forciertes Einsekundenvolumen) berechnet und auf einen Zeitraum von 100 Tagen standardisiert. Die so berechneten Zunahmeraten von Frühjahr (nur einmal Messung im Sommer) bis Herbst (Sommer-Intervalle) und von Herbst bis Frühjahr (Winter-Intervalle) wurden als abhängige Variablen mithilfe von statistischen Erklärungsmodellen analysiert. Dabei waren Prädiktoren die ortsbezogenen Ozon-Immissionsstufen (Zuteilung des Ortes in: hoch, mittel, niedrig) und mögliche Confounder. Die Ozonstufe „niedrig" kam lediglich in der östereichischen Studie vor. In den ersten beiden Sommer-Intervallen und in der gemeinsamen Analyse aller vier Sommer zeigten sich für die Ozonstufe „niedrig" verglichen mit der Stufe „hoch" höhere Zunahmeraten. Jedoch war diese Konstellation in den ersten beiden Wintern und in der gemeinsamen Analyse aller drei Winter umgekehrt. Dementsprechende Ergebnisse zeigten sich auch bei Einsatz von vier Ozon-Immissionsklassen (bestimmt nach den lokalen halbjährlichen Durchschnittswerten). Somit weisen die Longitudinalanalysen unter Verwendung zweier unterschiedlicher Prädiktoren (Ozon-Exposition anhand der Ozonstufe und der Ozon-Immissionsklasse) gleichermaßen daraufhin, dass in Gebieten mit höherer Ozon-Immission die Lungenvolumen-Zunahmen in Frühling-Sommerhalbjahren weniger hoch sind als in Gebieten mit niedrigerer Exposition, und dass diese Konstellation in HerbstWinterhalbjahren umgekehrt ist. Damit ist erklärbar, dass sich in den hier analysierten Studien (Baden-Württemberg und Niederösterreich) Orte mit niedrigeren und höheren OzonImmissionswerten im Bezug auf die Differenz der Lungenvolumina zwischen Studienbeginn und –ende nicht unterscheiden. Bezüglich möglicher Risikogruppen zeigte sich kein Hinweis, dass Kinder mit Pollenallergie oder Asthma bronchiale im längerfristigen Verlauf über 3,5 Jahre stärker mit Lungenvolumen-Änderungen reagieren als von diesen Krankheiten nichtbetroffene Kinder. Obwohl die ursprünglich geforderten Expositionsbedingungen mit einem durchschnittlichen Unterschied um den Faktor 2 in den Ozon-Immissionswerten erfüllt waren, war eine Reduktion der wachstumsbedingten FVC-Zunahme um 5 % (oder mehr) in Abhängigkeit der Exposition weder in der baden-württembergischen Studie noch in der gemeinsamen Auswertung der Daten beider Länder nachweisbar. Die Haupthypothese muß daher zurückgewiesen werden. Die Studie war primär nicht dafür konzipiert, akute Effekte der Ozon-Einwirkungen auf die Schleimhäute der oberen Atemwege zu untersuchen – solche Effekte werden auch auf dem Hintergrund der vorgelegten Hauptergebnisse nicht ausgeschlossen. Basierend auf der ursprünglichen Hypothese und eingedenk der methodischen und expositionellen Bedingungen dieser Longitudinaluntersuchung, kann davon ausgegangen werden, dass Grundschüler in Gebieten höherer Ozon-Immissionen im Hinblick auf die langfristige Vitalkapazitätszunahme keinem gravierenden zusätzlichen Langzeitrisiko unterliegen.