PUDI Projektdetails
Living Lab Walldorf Simulation und Feldtest der Transformation des Strommarktes unter veränderten Tarif-, Bilanzierungs- und Regulationssystem
Link, Steffen
01.12.2015 - 31.07.2019
Beschreibung
Die Ergebnisse der modellgestützten Analyse der dezentralen Flexibilitätspotentiale auf Seiten der Stromnachfrager (Fokus Haushalte) zeigen, dass die meiste Flexibilität im Hinblick auf verschobene Energiemengen in einem Szenario variabler Arbeitspreise realisiert wird (Annahme: 20% aller potentiell flexiblen Geräte sind technisch steuerbar). Die Bereitstellung der Flexibilität hängt dabei stark vom Preissignal ab, kann zwischen den Tagen variieren und weist teils steile Rampen auf. Eine Prognostizierbarkeit der Auswirkung der variablen Arbeitspreise auf den Lastgang erscheint mangels erkennbarer Muster schwierig. Eine Lastverschiebung bzw. Leistungsbegrenzung durch einen Leistungspreis führt dazu, dass sich die abendliche Lastspitze nur leicht reduziert und tagsüber leicht steigt. Vor allem aufgrund des hohen Energiebedarfs von Speicherheizungen sinkt der Bezug in den Nachtstunden. Sofern eine Reduktion des Leistungspeaks der Gesamtnachfrage gewünscht ist, scheint die Anwendung desselben leistungsbegrenzenden Tarifs für alle Haushalte daher nicht zielführend. Ein 3-stufiger Time-of-Use Tarif mit einer hohen, mittleren und niedrigen Preisstufe hat ein höheres Potenzial zur gezielten Verschiebung der Spitzenlast. Der teure Abendtarif führt zu einer Reduktion der Spitzenlast um durchschnittlich 4,2%. Es ergibt sich ein täglich wiederkehrendes Muster und es finden keine unbeabsichtigten Lastverlagerungen statt, der Lastgang tagsüber bleibt nahezu unverändert. Im Durchschnitt werden beim 3-stufigen Tarif ca. 356 GWh oder 2,4% des jährlichen Energiebedarfs aller Haushalte verschoben, was etwa 62% des mengenmäßigen Lastverschiebepotenzials des variablen Arbeitspreises entspricht. Weitere Simulationen zeigen, dass bei Haushalten mit PV-Anlagen und eigenverbrauchs-maximierendem Betrieb durch den 3-stufigen Tarif ein geringeres positives Lastverschiebepotenzial in den Nacht-stunden gehoben werden kann. Das Potenzial zur Reduktion der Spitzenlast in den Abendstunden ist fast ebenso hoch wie bei Haushalten ohne PV-Anlage.
Im Forschungsprojekt wurden Modelle, Verfahren und Prozesse zur Optimierung von Energieanlagen erforscht, die eine Abwägung von Flexibilität und Effizienz auf Basis der Betriebskosten ermöglichen. Zu den evaluierten Optimierungsansätzen zählt eine Variante eines genetischen Algorithmus, durch den in vielen Fällen ähnlich gute Ergebnisse erzielt werden können wie durch kommerzielle MILP-Löser. Des Weiteren wurde ein Prozess entwickelt, der die dezentrale Optimierung der Anlagen erlaubt, gleichzeitig aber eine Orientierung von Last und Erzeugung zwischen verschiedenen Community-Teilnehmern indirekt ermöglicht. Auf diese Weise kann ein regionaler Ausgleich von Einspeisungen und Entnahmen gefördert werden.
Im Rahmen der sozialwissenschaftlichen Untersuchungen konnte zudem gezeigt werden, dass der für die Optimierung notwendige Fernzugriff zur Steuerung von den Endkunden akzeptiert wird, da sich diese davon Kosteneinsparungen versprechen. Hierbei gilt jedoch die Prämisse, dass in Bezug auf die erhobenen Daten die Privatsphäre gewahrt wird. Darüber hinaus befürworten die meisten Befragten transparente und sichere Tarife hinsichtlich der Kostenplanung. Erwähnenswert ist auch, dass die noch vor einigen Jahren als Neuheiten wahrgenommenen Themen wie Apps heute als „Standard-Lösungen“ bewertet werden, wodurch die Anforderungen an Funktionalitäten steigen und gleichzeitig die Zahlungsbereitschaft sinkt.
Im Feldtest wurden Wärmepumpenanlagen über den Kommunikationsstandard SG-Ready angesteuert und der monetäre Vorteil der Ansteuerung bewertet. Dabei wurde deutlich, dass unter den heutigen Kosten für die Erschließung und den laufenden Betrieb sowie den heutigen Rahmenbedingungen kein wirtschaftlicher Anwendungsfall generiert werden kann. Daher wurden mehrere Szenarien zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit heraus-gearbeitet.
Basierend auf den Analysen und Erfahrungen aus den Feldtests wurden Empfehlungen für Politik und Regulierungsbehörden sowie für die Energiewirtschaft, Verbände und Anlagenhersteller herausgearbeitet, um das Flexibilitätsangebot und dessen Wirtschaftlichkeit zu erhöhen.
Eine detaillierte Darstellung der Ergebnisse ist dem Forschungsbericht zu entnehmen.