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In vivo DNA-Addukte des Luftschadstoffes 3-Nitrobenzanthron; Bildung und Identifizierung
Schmeiser, Heinz
2002
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Beschreibung
Dieselabgase induzieren Tumoren im Tierversuch (LEITER & SHEAR 1942) und sind bei berufsbedingter Exposition mit einem erhöhten Lungen-Krebs-Risiko verbunden (FARMER 1997). Neben den bekannten carcinogenen polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK), wie B[a]P wurden auch andere bis jetzt nicht identifizierte carcinogene Substanzen, sowie die im Abgas auftretenden Rußpartikel selbst, für die Krebsentstehung in den Versuchstieren verantwortlich gemacht (FARMER 1997). Später erkannte man, dass organische Extrakte von Luftstäuben, die in den USA, Japan, Deutschland oder Skandinavien gesammelt wurden, genotoxische Substanzen enthielten, die eine mutagene Aktivität vom Rasterschub-Typ im Salmonella typhimurium Stamm TA 98 zeigten (FINLAYSON-PITTS & PITTS 1997). Bemerkenswert war, dass eine metabolische Aktivierung nicht erforderlich war und folglich nicht nur PAKs enthalten sein konnten. Die Identifizierung dieser Partikel-gebundenen genotoxischen Schadstoffe ist nicht nur aus human-toxikologischer Sicht relevant, sondern ermöglicht es auch die Quellen bzw. die Entstehung dieser Luftschadstoffe aufzuklären und zu vermeiden. Insbesondere polyzyklische Nitroaromaten (Nitro-PAK) wurden in jüngster Zeit in Automobilabgasen, Dieselruß und in Luftstäuben nachgewiesen (Purohit & Basu, 2000).
Diese werden zum Teil erst in der Atmosphäre unter Beteiligung von NOX, OH-Radikalen, Ozon und Licht gebildet und sind wie die Phenanthren-Reaktionsprodukte (ATKINSON & AREY 1994) oder die Nitrobenzanthrone (ENYA et al. 1997) starke bakterielle Mutagene. Sowohl eine mutagene Aktivität in Säugerzellsystemen, als auch eine tumorigene Aktivität im Tierversuch ist von einigen Vertretern dieser Stoffklasse eindeutig belegt. Obwohl zur Zeit nicht bekannt ist welche Bedeutung den Nitro-PAK bei der Krebsentstehung zukommt, hat ihre Korrelation mit der Lungenkrebsrate in verkehrsbelasteten Gebieten und ihr direkter Nachweis im Gewebe von Lungenkrebspatienten (TOKIWA et al 1993) zu einem beträchtlichen Interesse an einer Risikoabschätzung geführt. Außerdem hat man Nitro-PAK in Flussablagerungen und in gegrillten Lebensmitteln (MÖLLER 1994) nachgewiesen, was darauf hindeutet, dass eine Exposition sowohl durch orale als auch durch inhalative Aufnahme erfolgen kann. Kürzlich wurde in Dieselabgasen und in Luftstaubextrakten ein neuer Vertreter dieser Stoffklasse entdeckt -3-Nitrobenzanthron- (3-NBA, 3-Nitro-7H-benz[d,e]anthracen-7-on) (ENYA et al., 1997). Obwohl es nur in geringen Mengen (0,6-6,6 µg/g Partikel) vorkommt ist 3-NBA toxikologisch relevant, da es eines der stärksten im Ames-Test je getesteten Mutagene darstellt. Die Genotoxizität dieses potentiellen Carcinogens wurde durch MikrokernInduktion in der Maus und humanen Zellen, als auch durch die Induktion von Mutationen in humanen Zellen belegt (ENYA et al. 1997; PHOUSONGHOUNG et al 2000).
Weitere Bestätigung der genotoxischen Wirkung dieser Verbindung lieferte der Nachweis von 3-NBA-spezifischen DNA-Addukten in vitro nach Aktivierung mit Xanthin Oxidase, einer Säuger-Nitroreduktase, oder Rattenleber S9 (BIELER et al 1999). Die Mehrzahl der bekannten Carcinogene und Mutagene bilden durch Metabolismus DNA-reaktive Stoffe, deren carcinogene bzw. mutagene Aktivität auf der Bildung von DNA-Addukten beruht. Für Nitro-PAK führt diese metabolische Aktivierung entweder über eine Reduktion der Nitrogruppe oder bzw. und eine Oxidation am Ringsystem. Katalysiert wird die Nitroreduktion sowohl durch cytosolische als auch durch mikrosomale Enzyme wie Aldehyd-Oxidase, Xanthin Oxidase, D,T-Diaphorase und die Cytochrom P450 Enzyme (Purohit & Basu, 2000). Weitere Biotransformationen durch Phase II-Enzyme, die zu reaktiven Estern führen, die durch hydrolytische Spaltung zu elektrophilen adduktbildenden Nitreniumionen zerfallen, sind möglich (FU 1990). Daher war es das Ziel dieses Projektes, die in vitro erwiesene genotoxische Wirkung (DNA-Adduktbildung) von 3-NBA in vivo zu untersuchen. Durch die Bestimmung des genotoxischen Potentials (hazard) von 3-NBA im Säugerorganismus, sowie die Aufklärung des zugrunde liegenden molekularen Aktivierungsmechanismus sollten unsere Untersuchungen dazu dienen ein mögliches Krebsrisiko durch 3-NBA-Exposition besser abschätzen zu können. Die Analyse von DNA-Addukten führen wir mit dem empfindlichen 32P-postlabeling Verfahren durch, da sich dieses besonders zur Untersuchung von genotoxischen Schadstoffen, deren chemische Strukturen im voraus nicht bekannt sind, eignet. Durch Verwendung verschiedener Analysenbedingungen wie Anreicherung durch n-Butanol-Extraktion oder Nuclease P1-Verdau, sowie verschiedene Chromatographie- Bedingungen ist man in der Lage die nach 32P-postlabeling erhaltenen DNA-Addukte zu klassifizieren. Mit diesem diagnostischen Potential der Analysenmethode sollten weitere Hinweise auf die chemische Struktur der 3-NBA-DNA-Addukte erhalten werden. Zur Aufklärung des in vivo Metabolismus von 3-NBA wurden Studien mit Säugerzellen (V79 Chinesische Hamsterzell-Linien), die humane Phase I und Phase II-Enzyme definiert exprimieren, durchgeführt. Dadurch lässt sich der humane Metabolismus von 3-NBA simulieren und die an der Aktivierung beteiligten Enzyme identifizieren, was eine toxikologische Risikobewertung erleichtert.