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Identifizierung und Bewertung (öko)toxikologisch belasteter Gewässer in Baden-Württemberg

Bild der Titelseite der Publikation: Identifizierung und Bewertung (öko)toxikologisch belasteter Gewässer in Baden-Württemberg

Braunbeck, Thomas; Hollert, H.

2001

Projektbericht - Abschlussbericht

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Beschreibung

Im Rahmen dieser Studie wurden etablierte Biotest- und neuere Analysen-Methoden für eine Untersuchung komplexer Umweltproben adaptiert, um den Belastungszustand von Gewässern zu erfassen und zu bewerten. Über die Kombination Bioassay-dirigierter Fraktionierungstechniken, verschiedener (öko)toxikologischer Endpunkte (Cyto- und Genotoxizität, dioxin-ähnliche und endokrine Wirksamkeit) sowie faunistischer Gesamtaufnahmen des Makrozoobenthos sollte dabei nicht nur der Vielzahl möglicher Effekte und Kombinationswirkungen von Freilandproben in biologischen Systemen Rechnung getragen werden, sondern zugleich die ökologische Relevanz der In vitro-Laborexperimente kritisch überprüft werden.

(1) An 12 Fließgewässerstandorten im Einzugsgebiet des Neckars wurde eine Sedimenttriade durchgeführt. Solche integrierte Untersuchungen bieten durch den kombinierten Einsatz von Bioassays, chemischer Analytik und Bestandsaufnahmen in situ umfassende Informationen zum Schädigungspotential von Sedimenten und überprüfen zugleich die ökologische Relevanz der Laboruntersuchungen. Es konnten mit Hilfe der In vitro-Bioassays äußerst komplexe Belastungsmuster aus toxischen, teratogenen, gentoxischen, mutagenen, dioxin-ähnlichen und endokrinen Effekten nachgewiesen werden. Es konnte mit den Untersuchungen zugleich gezeigt werden, dass eine Bewertung der Fließgewässer mit Bioassays zur akuten Toxizität das Schädigungspotenzial drastisch unterbewerten würde, so dass eine Untersuchungsstrategie für Sedimente unbedingt spezifische Endpunkte beinhalten sollte. Die chemisch-analytischen Untersuchungen ergaben insgesamt eine gute Korrelation zu den Befunden aus den Bioassays. Eine Berechnung des Anteils der chemisch analysierten Substanzen an der gesamten biologischen Wirksamkeit mit Hilfe von Toxicity equivalency-Faktoren zeigte sowohl bei der dioxin-ähnlichen als auch bei der endokrinen Wirkung, dass selbst eine umfangreiche chemische Analytik die biologische Wirksamkeit nicht abzuschätzen erlaubt: Während mit Hilfe des TEF-Konzeptes bei den weniger kontaminierten Proben ein Großteil der dioxin-ähnlichen Wirksamkeit mit den Konzentrationen an PAHs, PCBs und PCDDs/Fs erklärt werden konnte, identifizierte die chemische Analyse nur 0,5 0,7 % des biologisch nachgewiesenen dioxin-ähnlichen Potenzials der hochkontaminierten Proben. Mit Hilfe von Makrozoobenthosaufnahmen und der Verwendung zahlreicher Indices konnte die ökologische Relevanz der biologischen und chemischen Analysen verifiziert werden. Es zeigte sich, dass der Saprobienindex die Degradation der Biozönose drastisch unterbewerten kann, wogegen in Kombination mit dem Ökotoxikologischen Index eine sehr differenzierte Bewertung des Zustandes in situ möglich war. Insgesamt erwies sich das Konzept der Sedimentbewertungstriade als eine geeignete Strategie für eine umfassende Beschreibung des ökotoxikologischen Schädigungspotenzials der untersuchten Fließgewässer.

(2) Bei einer Überprüfung verschiedener statistischen Methoden zur Bewertung komplexer Datenmatrices erwies sich die Hasse-Diagramm Technik nach Fuzzy-Clusterung und insbesondere ein auf Basis von Clusteranalysen und Rangsummen-basierten Klassifikationen erarbeitetes Fuzzy Logic-Expertensystem als geeignet, den komplexen Datensatzes der integrierten Sedimentuntersuchung umfassend zu bewerten.

(3) Mit Hilfe von Sedimenttriaden kann zwar umfassende Information über Schädigungspotenzial und Relevanz der partikelgebundenen Schadstoffe erreicht werden, eine Identifizierung der problematischen Substanzen ist jedoch nicht möglich. Daher wurde ein hochtoxisches Sediment aus den Triadeuntersuchungen mit Hilfe einer komplexeren Fraktionierungsmethodik mit Alumina- und HPLC-Chromatographie und den Endpunkten Cyto- und Gentoxizität, Mutagenität und dioxin-ähnliche Wirkung untersucht, um die biologisch wirksamen Substanzen zu identifizieren. Im Ames-Test konnten PAHs der Molekulargewichte 264-266, für die bisher nur wenige biologische Wirkdaten vorliegen, als Hauptträger der mutagenen Wirkung identifiziert werden. Während PCDDs/Fs, PCBs und PCNs als klassische Induktoren keinen signifikanten Beitrag zur EROD-Induktion lieferten, konnte 70 % der dioxin-ähnlichen Wirkung auf eine Fraktion mit den PAHs Triphenylen, Benz(a)anthracen, Chrysen und deren Derivaten zurückgeführt werden.

(4) Schwebstoffgebundene Schadstoffe werden durch Sedimentation der Wasserphase und damit vielen aquatischen Organismen entzogen. Während bei durchschnittlichen hydrologischen Ver-hältnissen in carbonatreichen Einzugsgebieten wie dem Neckar eine Remobilisation von Schadstoffen weitgehend ausgeschlossen werden kann, besteht bei Hochwassereignissen die Gefahr einer Remobilisierung von hochkontaminierten Altsedimenten. Mit Hilfe eines kombinierten öko-toxikologischen und hydraulischen Untersuchungssystems wurde das Schädigungspotenzial und die Gefahr einer Remobilisierung an Sedimentbohrkernen der Stauhaltung Lauffen sowie an Hochwasserschwebstoffen zweier extremer Hochwässer untersucht. Dabei konnten nachgewiesen werden, dass ab einem Hochwasser mit einer 5-jährlichen Wiederkehrwahrscheinlichkeit alle Sedimente, auch die kontaminierten Altsedimente, remobilisiert werden können. Die Hochwasserereignisse (15-20 jährliche Wiederkehrwahrscheinlichkeit) führten zu einer deutlichen Erhöhung des cytotoxischen und mutagenen Schädigungspotenzials aber auch der Schwermetallbelastung von Schwebstoffen (Cd bis zu 28 mg/kg) im Vergleich zu einem mittleren Hochwasser im Jahre 1995/96, so dass eine Remobilisierung von hochkontaminierten Altsedimenten angenommen werden muß.

(5) Auf der Basis der eigenen Untersuchungen wird eine gestuftes Untersuchungskonzept für die Bewertung von partikulären Schadstoffen vorgestellt.