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Entwicklung eines Verfahrens zur Hochwasserfrühwarnung in kleinen und mittleren Einzugsgebieten auf Grundlage von verteilten Online-Bodenfeuchtemessungen

Ihringer, Jürgen

01.01.2004 - 31.12.2005

Beschreibung

Das Vorhaben dient als Wegbereiter für die Hochwasserwarnung in kleinen und mittleren Einzugsgebieten auf Grundlage aktueller Bodenfeuchte-Messungen. Derzeit verhindert die Variabilität des schwer zu greifenden Gebietszustands die verlässliche qualitative Aussage über die Abflussbereitschaft kleiner Einzugsgebiete. Modelle des Wasserhaushalts können diese Variabilität aufgrund struktureller Beschränkungen nur bedingt abbilden oder benötigen eine Vielzahl von Parametern, für deren Kalibrierung aufgrund mangelnder Messdaten große Spielräume möglich sind, die zu Unsicherheiten in der Niederschlag-Abfluss-Modellierung führen. Die Ergebnisse zu den anfangs gesetzten drei Schwerpunkten „was, wie und wo muss gemessen werden", werden im folgenden dargestellt. Der Schwerpunkt „was muss gemessen werden" war Inhalt des Kapitels 4. Die Bodenfeuchte konnte als Indikator des Gebietszustands identifiziert werden. Im Einzugsgebiet des Dürreychbachs wurden Verlust- und Abflussbeiwertsverfahren mit Verfahren verglichen, die den Abflussbeiwert aus dem Niederschlag und der Bodenfeuchte generieren. Auf Basis von 63 Einzelereignissen konnte das Bestimmtheitsmaß des Abflussbeiwerts so um 25 % von 0.64 auf 0.80 gesteigert werden. Die Bodenfeuchte-Messungen im Einzugsgebiet Dürreychbachtal zeigten eine zweiwertige Charakteristik, die die direkte Verwendung des Messwerts nicht zulässt. An den Zeitpunkt des Umschaltens der Messsonden von abflussunrelevant in abflussbeitragend wurde eine physikalisch-basierte Funktion der abflussbeitragenden Flächen angepasst, die die Bestimmung des effektiven Momentanniederschlags ermöglichte. Der beobachtete Fehler der Feuchtemessungen von über 3 % konnte so ignoriert werden. Eine physikalisch-basierte Modellierung wurde mit dem Modell CATFLOW durchgeführt, die die Abflussbildung eines Modellhangs unter den Aspekten Bodenart, Hangneigung, Niederschlagsintensität und Bodenvorfeuchteverteilung zeigt. Unter der Annahme eines Sickerrandes als untere Randbedingung erweist sich das Modell sensitiv hinsichtlich des untersuchten Bodens. Während lehmiger Sand unabhängig von der Vorfeuchteverteilung einen linearen Anstieg des Abflussbeiwerts in Abhängigkeit der mittleren Vorfeuchtebedingung ergab, zeigte Lehm eine starke, nichtlineare Abhängigkeit des Abflussbeiwerts in Bezug auf die mittlere Vorfeuchtebedingung sowie die Vorfeuchteverteilung. Bei geschichteten Vorfeuchtebedingungen konnte die Stationarität der feuchteren Schicht nachgewiesen werden, die aufgrund der Beziehung zwischen hydraulischer Leitfähigkeit und Wassergehalt als präferenzieller Wasserleiter dient und das Perkolieren in darunter liegende Bodenbereiche verhindert. Bei einer mittleren Vorfeuchte von 12 Vol% konnte die Erhöhung des Abflussbeiwerts um über 250 % von 0.28 auf 0.72 festgestellt werden. Eine mittlere Vorfeuchte von 25 Vol% ergab die Erhöhung um 28 % von 0.7 auf 0.9. Der hier geführte Nachweis, dass sowohl die Bodenfeuchte als auch deren Verteilung wesentlichen Anteil an der Abflussbildung tragen, war ausschlaggebend für die Entwicklung und Erweiterung eines Messsystems zur operationellen, profilaufgelösten Bodenfeuchtemessung. Der Schwerpunkt „wie muss gemessen werden" wurde in Kapitel 5 untersucht. Basis war die „Spatial TDR" Methode, eine Erweiterung der Zeitbereichsreflektometrie mit den Komponenten Sampling-TDR-Gerät, TDR-Sonden sowie Rekonstruktionsalgorithmus zur Bestimmung von Bodenfeuchteprofilen. Konzipiert für den zerstörungsarmen Einbau in natürlich gewachsenen Böden wurde die Entwicklung der TDR-Dreistabsonde SUSU03 fortgeführt. Elektrostatische Feldberechnungen wiesen einen sensitiven Bereich um die Sondenstäbe, ausgedrückt durch das 95 %-Quantil, von 21.7 cm² bei 40 Vol% Wassergehalt aus. In einem Laborexperiment wurden vier Dreistabsonden in einem mit schwach schluffigem Sand gefüllten Lysimeter eingebracht. Während eines Beregnungsexperiments wurden die Bodenfeuchteprofile alle 10 Minuten bestimmt. Die hohe zeitliche und räumliche Auflösung eröffnete einen detaillierten Eindruck über Infiltrationsprozesse, die zwischen den Sonden stark variierten. Durch vergleichende Messungen mit kommerziellen, mittelwertbildenden Sonden konnte die Tauglichkeit der Dreistabsonden qualitativ nachgewiesen, sowie die Anpassung des zur profilaufgelösten Messung notwendigen Rekonstruktionsalgorithmus durchgeführt werden. Die Erweiterung des Systems für den operationellen Feldeinsatz erforderte den fortwährenden Datenzugriff auf das Messsystem und die Fernsteuerung des Messsystems mit Prüfungen des Systemzustands, die automatisierte Rekonstruktion, sowie Entwicklungen der Datenhaltung. Durch Modemanbindung und Spannungskontrolle wurde das System und dessen Zustand fernabfragbar. Eine zentrale Messdatenbank schaffte die Grundlage einer vereinheitlichten Datenhaltung. Die Feldtauglichkeit des operationellen Messsystems konnte in weiten Teilen im feldmaßstäblichen Messcluster Goldersbach aufgezeigt werden. Das Messcluster bestand aus 46 vertikal eingebrachten Zweistabsonden im 4 Meter Raster, die im Bereich einer Bachaue eingebaut waren. Das Cluster zeigte das Aufsättigungs- und Austrocknungsverhalten der Bachaue in Form der Ausdehnung des gesättigten Bereichs. Um ein quasi-dreidimensionales Bild der Bodenfeuchteverteilung zu erhalten, wurden die rekonstruierten Bodenfeuchteprofile vertikal und horizontal interpoliert. Die Messungen der Bodenfeuchte an den Standorten Dürreychbach, Lysimeter und Goldersbach dienten als Datengrundlage für die Aussage der zeitlichen Auflösung von Bodenfeuchte-Messungen. Durch Ausdünnung der Messzeitreihen konnte der Fehler aus der Differenz des tatsächlichen Messwerts mit dem letztgemessenen Wert bestimmt werden. Während für das Lysimeter eine Vervierfachung der zeitlichen Auflösung von 10 min auf 40 min zu einem Fehler zwischen 2 und 3.5 % führte, zeigten sich die Standorte Dürreychbach bei der Erhöhung von 60 min auf 4 h mit ca. 0.9 % und Goldersbach bei der Änderung von 2 h auf 8 h mit ca. 1.0 % weniger sensitiv. Aufgrund der extremen Beregnung des Lysimeters und des hohen kf-Werts des schluffigen Sands bleibt der dortige, schnell anwachsende Fehler unbeachtet. Eine zeitliche Auflösung von 3 h für Böden mit geringeren kf-Werten wurde abgeleitet. Die räumliche Auflösung von Bodenfeuchte-Messungen wurde mit Hilfe des External Drift Krigings unter Einbezug des topographischen Index’ ln(a/tanβ) als Drift für die Messungen im Gebiet Goldersbach kritisch hinterfragt und mit der Cross-Validation-Methode bewertet. Die größten Schätzfehler konzentrierten sich auf den Bereich eines Bachlaufs und den Randbereich des Messclusters. Die räumliche Diskretisierung von 4 m konnte für den vorhandenen Boden bestätigt werden. Sie entsprach etwa der durch die Variogrammanpassung bestimmten halben Reichweite von 7 m. Kapitel 6 beinhaltet den Schwerpunkt „wo muss gemessen werden". Aufgrund der Heterogenität eines Einzugsgebiets entscheidet die gewählte Messfläche über die Aussagekraft der Messungen in Bezug auf die Abflussbildung. Um die Wahl auf repräsentative Messflächen einzugrenzen, wurde ein viergeteiltes Auswahlverfahren entwickelt, das sich aus den Komponenten Bodenfeuchtedynamikindex, Abflussbildungsklassifikation, Landnutzung und Hangkrümmung zusammensetzt. Fünf Landsat-TM Satellitenbilder wurden der Tasseled Cap Transformation unterzogen, um die räumlichen Feuchteverteilungen zu bestimmen. Die Aufnahmezeitpunkte wurden so gewählt, dass das Einzugsgebiet zwar jeweils homogen vorüberregnet war, jedoch mit unterschiedlichen Abflussbeiwerten reagierte. Die rasterzellenbasierte Standardabweichung aus den fünf Verteilungen wurde als Feuchtedynamik interpretiert. Eine eindimensionale Diskriminanzanalyse diente der Verifikation der Feuchtedynamikverteilung, die mit dem Jackknife-Verfahren bewertet wurde. Die in 15 Klassen eingeteilte Pedologie zeigt mit 22.9 % korrekt klassifizierter Rasterzellenpunkte gute Ergebnisse. Flächen mit mittlerer und hoher Feuchtedynamik wurden als potentielle Messflächen weiter untersucht. Abflussbildungsklassifikation wurde mit dem Expertensystem FLAB durchgeführt. Für die drei Gebietszustände trocken, feucht und sehr feucht wurde die Verteilung der Abflussbildungsprozesse bestimmt. Es zeigte sich mit zunehmender Feuchte eine plausible Verschiebung von den langsameren zu den schnelleren Abflussbildungsprozessen. Als potentielle Messflächen wurden die Flächen identifiziert, die im feuchten Zustand schnellere Abflussbildungsprozesse aufweisen. Die Beschränkung der Flächenauswahl auf konkave Hangfüße als Übergangsbereich von Interflow in Sättigungsflächenabfluss erfolgte durch die Ermittlung der Hangkrümmung aus dem digitalen Höhenmodell. Die Konzentration auf Gebiete mit geringer Vegetation konnte aus Karten zur Landnutzungsverteilung sichergestellt werden. Die Verschneidung der dargestellten vier räumlichen Verteilungen des Auswahlverfahrens schränkte die zur Wahl stehenden, potentiellen Messflächen um den Faktor 15 ein. Die verbleibenden Flächen wurden bei einer Feldbegehung mit Bodenansprache verifiziert. Die durch das Auswahlverfahren bestimmten Flächen wurden mit den örtlichen Gegebenheiten abgeglichen und als potentielle Messflächen bestätigt. Der Aufbau von zwei Messclustern mit je 12 Messsonden führte die Entwicklungen der Messtechnik und die Ausweisung repräsentativer Messstandorte zusammen. Erste Messungen zeigten unterschiedliche Bodenfeuchtecharakteristika, die durch das verbesserte Messverfahren verschiedenen Abflussbildungsprozessen zugewiesen werden konnten. Damit wurde messtechnisch der Nachweis erbracht, dass verschiedene Abflussbildungsprozesse an den sorgfältig ausgewählten repräsentativen Flächen einstellen, je nach Gebietszustand. Die Projektergebnisse beweisen die Richtigkeit des gewählten Ansatzes: Verteilte Bodenfeuchte-Messungen mit Profilauflösung in ausgewählten „Hot Spots" eines kleinen Einzugsgebiets führen zu einem erheblichen Informationsgewinn für die Beurteilung des Gebietszustands. Das im Projekt entwickelte Verfahren bildet damit die Grundlage für einen neuartigen Weg der Hochwasserfrühwarnung in kleinen und mittleren Einzugsgebieten. Nun sind hydrologische Modelle weiter zu entwickeln, so dass sie in der Lage sind, die realen Messdaten der aktuellen Bodenfeuchte in der Niederschlag-Abfluss-Simulation zu berücksichtigen.