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Veränderungen biologischer Parameter (Immunsystem, Cytochrom P450-System) bei 3 hoch 2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-p-dioxin (TCDD)-exponierten Personen aus Wien

Bild der Titelseite der Publikation: Veränderungen biologischer Parameter (Immunsystem, Cytochrom P450-System) bei 3 hoch 2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-p-dioxin (TCDD)-exponierten Personen aus Wien

Abraham, Klaus

2001

Projektbericht - Abschlussbericht

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Beschreibung

Im Herbst 1997 wurden in Wien mehrere Mitarbeiter eines Textil-Forschungsinstituts auf bislang ungeklärte Weise gegenüber 2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-p-dioxin (TCDD) exponiert. Die mehrere Monate später erstmals im Blutfett gemessenen TCDD-Werte betrugen bei den 3 höchstbelasteten Angestellten 144.000 (Person 1), 26.000 (Person 2) und 870 ppt (Person 3). Bei Person 1 und 2 wurden somit die höchsten jemals bei Erwachsenen gemessenen TCDD-Werte festgestellt. Person 1 leidet an einer schweren Chlorakne des gesamten Körpers, während die Chlorakne bei Person 2 auf das Gesicht beschränkt war und inzwischen vollständig abgeklungen ist.

Im Rahmen dieses Projektes wurden die genannten 3 Personen genauer untersucht hinsichtlich von Veränderungen des Immunsystems (weißes Blutbild, Granulozyten-Funktion, Lymphozyten-Proliferation und Zytokin-Produktion nach Stimulation mit Mitogenen und Antigenen, Lymphozyten-Subpopulationen, Antikörper-Produktion) und der Cytochrom-P450-Induktion (Koffein-Metabolismus durch CYP1A2, gemessen als 13C-Atemtest, Konzentrationsabfall im Serum, Metaboliten-Bildung im Serum und Urin). Zum Vergleich wurde eine altersentsprechende Kontrollgruppe (n=50, davon 30 Nichtraucher und 20 starke Raucher) untersucht. Die Einbeziehung von starken Rauchern bei der Kontrollgruppe zeigte sich als sinnvoll sowohl unter dem Aspekt der Qualitätskontrolle (Bestätigung bekannter Effekte durch Zigarettenrauch) und der Relativierung von (möglichen) TCDD-Effekten. Die Interpretation der Daten bezüglich solcher Effekte bei wurde dadurch erleichtert, daß bei Person 1 und 2 die Höhe der TCDD-Exposition beispiellos ist (ohne Co-Exposition gegenüber anderen persistenten Organochlor-Verbindungen) und es sich um junge Nichtraucher handelt, die vor der Exposition gesund waren. Bei der Untersuchung im Oktober 2000 betrugen die aktuell im Blutfett von den Personen 1, 2 und 3 gemessenen TCDD-Konzentrationen 30.300, 10.100 bzw. 420 ppt.

Insgesamt zeigte die umfangreiche Untersuchung wesentlicher Teile des Immunsystems trotz der extremen TCDD-Exposition bei Person 1 und 2 keine eindeutigen Auffälligkeiten, die auf diese Exposition zurückgeführt werden könnten. Bei Einbeziehung von Voruntersuchungen und von Untersuchungen anderer Arbeitsgruppen sind möglicherweise die relativ hohe Lymphozytenzahl im peripheren Blut, der relativ niedrige prozentuale Nk-Zell-Anteil bei den Lymphozyten und die erhöhte Lymphozyten-Proliferation nach Mitogen- und Candida-Stimulation als TCDD-Effekte anzusehen. Diese Veränderungen waren jedoch nicht gravierend und lagen im Fall der Candida-Stimulation innerhalb des "Normalbereichs" von Rauchern. Die beobachteten leichten Veränderungen haben sehr wahrscheinlich keine klinische Relevanz, wie auch die bisherige Nachbeobachtung der TCDD-exponierten Personen keinen Anhalt für eine Beeinträchtigung deren Immunsystems bot. Es bestätigte sich somit erneut, daß immunologische Parameter sicherlich nicht als empfindliche Biomarker einer TCDD-Exposition angesehen werden können. Für den Hintergrundbereich kann daher mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Wirkung der Dioxin-Exposition (einschließlich anderer Organochlor-Verbindungen mit Affinität zum Ah-Rezeptor) auf das Immunsystem des Erwachsenen Menschen ausgeschlossen werden. Daß dieses sehr wohl empfindlich bezüglich der Einwirkung von den Fremdstoffen ist, läßt sich daran ablesen, daß von den ausgewerteten 164 Parametern 34 signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen der Nichtraucher und der Raucher zeigten.

Die CYP1A2-Aktivität der Leber konnte zuverlässig und mit guter Reproduzierbarkeit durch mehrere Methoden als Koffein-Demethylierungsrate gemessen werden (kumulative 13C-Exhalation im Atemtest, Serum-Metaboliten-Ratio: Paraxanthin/Koffein, Koffein-Gesamt-Clearance und Urin-Metaboliten-Ratio UMR1: AFMU+1U+1X)/17U), während sich die ebenfalls untersuchten Urin-Metaboliten-Ratios UMR2 und UMR3 (beide mit der KoffeinKonzentration im Nenner) als weniger brauchbar herausstellten. Bei den hoch TCDD-belasteten Personen 1 und 2 konnte eine ca. 10-fache Induktion nachgewiesen werden (im Vergleich zu ebenfalls nichtrauchenden Menschen; Raucher hatten bei den verschiedenen untersuchten Parametern durchschnittlich zwischen 1,4 und 1,8-fach höhere Werte als Nichtraucher). Die Einbeziehung der seit Dezember 1998 bei ihnen mehrfach durchgeführten Voruntersuchungen zeigte, daß trotz mit der Zeit fallender TCDD-Werte die Induktion relativ konstant blieb und in diesem Konzentrationsbereich vermutlich einem Maximum auf einem Plateau entspricht. Weniger eindeutig waren die Ergebnisse der moderat exponierten Person 3, bei der sich reproduzierbar nur für zwei der verwendeten Methoden (kumulative 13C-Exhalation im Atemtest und Urin-Metaboliten-Ratio UMR1: AFMU+1U+1X)/17U) eine Induktion im Vergleich zu Nichtrauchern nachweisen ließ. Möglicherweise liegt bei dieser Person eine Abweichung von üblichen Metabolisierungswegen vor. Die Annahme einer im Bereich von 1000 ppt noch nicht sicher vorliegenden Induktion wäre vereinbar mit Ergebnissen anderer Arbeitsgruppen. Unter der Annahme, daß neben der CYP-Induktion auch weitere im Tierexperiment zu beobachtende TCDD-Effekte Ah-Rezeptor-vermittelt sind und so Wirkungen im extrem niedrigen Konzentrationsbereich erklären, würde eine Übertragung dieser Erkenntnisse auf den Menschen dessen relative TCDD-Unempfindlichkeit erklären.

Bemerkenswert bleibt somit weiterhin, daß nach Literaturangaben bei empfindlichen Menschen schon TCDD-Konzentrationen um 1000 ppt im Blutfett klinische Symptome in Form von Chorakne auslösen können, während bisher kein Biomarker entdeckt worden ist, der in diesem Konzentrationsbereich eine TCDD-Exposition individuell erkennen könnte. Somit kann für den Hintergrundbereich des Erwachsenen mit hoher Sicherheit ausgeschlossen werden, daß TCDD eine relevante Wirkung auf immunologische Parameter oder auf die hepatische CYP1A2-Aktivität hat. Dies gilt auch bei Einbeziehung verwandter Substanzen mit Affinität zum Ah-Rezeptor.