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Persistenz der DNA-Addukte des Luftschadstoffes 3-Nitrobenzanthron in der Ratte

Bild der Titelseite der Publikation: Persistenz der DNA-Addukte des Luftschadstoffes 3-Nitrobenzanthron in der Ratte

Bieler, C. A.; Klein, Reinhold G.; Wießler, Manfred; Schmeiser, Heinz; Arlt, V. M.; Cornelius, M.

2004

Projektbericht - Abschlussbericht

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Beschreibung

Polyzyklische Nitroaromaten (Nitro-PAK) sind ubiquitäre Umweltschadstoffe, die sowohl in den Extrakten der Abgase von Diesel- und Benzinmotoren als auch auf der Oberfläche von Luftstaub auftreten (Purohit & Basu, 2000; EPA 2002). Eine mutagene Aktivität in bakteriellen und Säugerzellsystemen als auch eine krebsauslösende Wirkung im Tierversuch sind von einigen Vertretern dieser Stoffklasse eindeutig belegt. Obwohl die Bedeutung der Nitro-PAK für die Krebsentstehung beim Menschen zur Zeit nicht geklärt ist, hat ihre Korrelation mit der Lungenkrebsrate in verkehrsbelasteten Gebieten und ihr direkter Nachweis im Gewebe von Lungenkrebspatienten (Tokiwa et al., 1993) zu einem beträchtlichen Interesse an einer Risikoabschätzung geführt. Epidemiologische Studien zeigten, dass eine berufsbedingte Exposition mit Dieselabgasen mit einem erhöhten Lungenkrebs-Risiko verbunden ist (Brüske-Hohlfeld et al., 1999; Boffetta et al., 2001) und führten dazu, dass die IARC Dieselabgas als wahrscheinlich carcinogen für den Menschen (group 2A) eingestuft hat (IARC, 1989). Nach einer aktuellen Studie des Umweltbundesamtes (2003) ließen sich in Deutschland jährlich ca. 2000 Todesfälle durch Lungenkrebs vermeiden, wenn alle Dieselfahrzeuge Partikelfilter hätten. Für den Menschen stellt der Ruß des Dieselabgases die Hauptexpositionsquelle mit Nitro-PAK dar, wobei 1-Nitropyren die Hauptkomponente ist (ca. 200 ppm).

Vor wenigen Jahren (Enya et al., 1997) wurde in Dieselabgasen und in Luftstaub-Extrakten ein neuer Vertreter dieser Stoffklasse entdeckt -3-Nitrobenzanthron- (3-NBA, 3-Nitro-7H-benz[d,e]anthracen-7-on). Erst kürzlich wurde 3-NBA auch an der Oberfläche von Böden und im Regenwasser gefunden (Murahashi et al., 2003), was eine ubiquitäre Verbreitung nahe legt. Obwohl es nur in geringen Mengen (0,6-6,6 µg/g Partikel) vorkommt, ist dieses aromatische Nitroketon toxikologisch relevant, da es eines der stärksten im Ames-Test je getesteten Mutagene darstellt und im Verdacht steht, beim Menschen carcinogen zu wirken (Enya et al., 1997; Adachi et al., 2000). Die Genotoxizität dieses potentiellen Carcinogens wurde durch Mikrokern-Induktion in der Maus und humanen Zellen als auch im Comet-Assay und durch die Induktion von Mutationen in humanen Zellen belegt (Enya et al., 1997; Phousongphoung et al., 2000; Lamy et al., 2004).

Eine weitere Bestätigung der genotoxischen Wirkung von 3-NBA lieferte der Nachweis von 3-NBA-spezifischen DNA-Addukten in vitro nach Aktivierung mit Xanthin Oxidase, einer Säuger-Nitroreduktase, oder Rattenleber S9 (Bieler et al., 1999) und in vivo in Ratten (Arlt et al., 2001) und Mäusen (Arlt et al., 2004). Die DNA-Addukte, die nach Aktivierung von 3-NBA mit Xanthin Oxidase entstehen, sind Reaktionsprodukte aus reduktiven Metaboliten mit Purinbasen. Obwohl ihre Strukturen noch aufzuklären sind, konnten wir zeigen, dass die Reduktion der Nitrogruppe der verantwortliche Aktivierungsweg für die Bildung dieser 3-NBA-DNA-Addukte in vivo in der Ratte ist (Arlt et al., 2001).

In Inkubationen von Lungen-Alveolar-Zellen der Ratte mit 3-NBA wurde 3-Aminobenzanthron (3-ABA) als Hauptmetabolit identifiziert (Borlak et al., 2000). Kürzlich konnten Seidel et al. (2002) durch die Bestimmung von 3-ABA im Urin von Salzbergwerksarbeitern, die beruflich mit Dieselabgas exponiert waren, die Aufnahme von 3-NBA beim Menschen belegen und beweisen, dass diese Exposition auch nachweisbar ist.

Eine Vielzahl von experimentellen Daten deuten darauf hin, dass die Bildung von DNA-Addukten einen für die Initiation der chemischen Carcinogenese kritischen Schritt darstellt (Poirier et al., 2000). Ferner sind DNA-Addukte äußerst nützliche Biomarker zum Nachweis von Expositionen gegenüber genotoxischen Verbindungen wie sie in Dieselabgasen vorkommen (Perera, 1990). Mehrere Studien konnten durch die Detektion von DNA-Addukten mit dem hochempfindlichen 32P-postlabeling Verfahren höhere Spiegel von sperrigen (bulky) DNA-Addukten in Personen, welche stark mit Dieselabgas exponiert waren, nachweisen (Nielsen et al., 1996, Palli et al., 2001). Daher könnten DNA-Addukte auch als Biomarker zur Vorhersage eines Krebs-Risikos dienen.

Carcinogene Nitro-PAK müssen zu elektrophilen Zwischenstufen metabolisiert werden um ihre genotoxische und carcinogene Wirkung über die Bildung von DNA-Addukten entfalten zu können. Diese metabolische Aktivierung führt entweder über eine Reduktion der Nitrogruppe oder bzw. und eine Oxidation am Ringsystem (Purohit & Basu, 2000). Katalysiert wird die Nitroreduktion sowohl durch cytosolische als auch durch mikrosomale Enzyme wie Aldehyd-Oxidase, Xanthin Oxidase, DT-Diaphorase und die Cytochrom P450 Enzyme. Weitere Biotransformationen durch Phase II-Enzyme wie N,O-Acetyltransferasen (NATs) oder Sulfotransferasen (SULTs), die zu reaktiven Estern führen, die durch Hydrolyse zu elektrophilen adduktbildenden Nitreniumionen zerfallen, sind ebenfalls möglich. Kürzlich konnten wir zeigen, dass sowohl O-Acetylierung durch humane NAT1 und NAT2 als auch O-Sulfonierung durch humane SULT1A1 und humane SULT1A2 erheblich zu der starken genotoxischen und mutagenen Wirkung von 3-NBA beitragen (Arlt et al., 2002; Arlt et al., 2003).

Da viele Gene der Enzyme des Fremdstoffmetabolismus in verschiedenen Varianten existieren und dadurch unterschiedliche Enzymaktivitäten aufweisen, ist zur Abschätzung der individuellen Suszeptibilität gegenüber 3-NBA die Bestimmung derjenigen humanen Enzyme nötig, welche an der Aktivierung von 3-NBA beteiligt sind. Deshalb wurde in der vorliegenden Studie untersucht in wieweit der Mensch in der Lage ist 3-NBA zu aktivieren und versucht, die Enzyme, die an der DNA-Adduktbildung von 3-NBA beteiligt sind, zu identifizieren.

Ein weiteres Ziel dieses Projektes war, die genotoxische Wirkung von 3-NBA in vivo nach Applikation in die Lunge an Ratten zu untersuchen. Hierzu wurde die DNA-Adduktbildung von 3-NBA nach intratrachealer Instillation mit dem 32P-postlabeling Verfahren in mehreren Organen und im Blut der Ratte bestimmt. Ferner wurde die Persistenz der gebildeten 3-NBA-DNA-Addukte mit dem gleichen Verfahren ermittelt. Die DNA-Adduktbildung von 3-NBA in der Ratte nach oraler oder intraperitonealer Gabe wurde von uns bereits studiert (Arlt et al., 2001; Arlt et al., 2003). Die Ergebnisse dieser Arbeiten zeigten, dass das gleiche DNA-Adduktmuster, bestehend aus mehreren 3-NBA spezifischen DNA-Addukten, in verschiedenen Organen der Ratte sowohl nach oraler als auch nach intraperitonealer Applikation gebildet wird. Da aber Luftschadstoffe wie 3-NBA hauptsächlich durch Inhalation aufgenommen werden, war eine Applikation in die Lunge zur Simulierung der humanen Expositionssituation angebracht. Die Exposition durch Inhalation ist am besten geeignet die humane Situation nachzustellen, benötigt aber eine spezielle Ausrüstung um eine Expositions-Atmosphäre zu erzeugen. Deshalb wurde von uns die direkte Instillation in die Lunge wie in vielen anderen Studien auch als Alternative zur Inhalation gewählt (Driscoll et al., 2000). Ein entscheidender Vorteil der Instillation gegenüber der Inhalation ist, dass die tatsächlich in die Lunge applizierte Dosis bekannt ist.

Durch die Bestimmung des genotoxischen Potentials, DNA-Adduktbildung und Addukt-Persistenz, von 3-NBA im Säugerorganismus nach intratrachealer Instillation, sowie die Aufklärung des zugrunde liegenden molekularen Aktivierungsmechanismus sollten unsere Untersuchungen dazu dienen ein mögliches Krebsrisiko durch 3-NBA-Exposition besser abschätzen zu können.