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Biologische und ökotoxikologische Bewertung von Böden in Ballungsräumen

Bild der Titelseite der Publikation: Biologische und ökotoxikologische Bewertung von Böden in Ballungsräumen

Kandeler, Ellen; Lorenz, K.; Tscherko, D.

2003

Projektbericht - Abschlussbericht

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Beschreibung

In Deutschland schreitet die Umwidmung landwirtschaftlich genutzter Böden für Siedlung und Verkehr unvermindert fort. Vor dem Hintergrund eines stagnierenden Bevölkerungswachstums besteht jedoch die Forderung nach einer deutlichen Reduktion des Bodenverbrauchs. Im Gegensatz dazu gehen jedoch beispielsweise in Baden-Württemberg täglich 11 ha natürlicher Boden verloren. Das neue Bundes-Bodenschutzgesetz schützt jedoch Bodenfunktionen zu denen auch die Lebensraumfunktion für Bodenorganismen gehört. Bei der Landschaftsplanung sollte diese beachtet werden. Insbesondere in Stadtböden wird die Lebensraumfunktion durch Eingriffe des Menschen wie Versiegelung, Verdichtung, Abtrag, Verfüllung oder Durchmischung beeinträchtigt. Deshalb werden Bewertungsverfahren für die Lebensraumfunktion für Boden(mikro)organismen benötigt, um einen schonenden Umgang mit der Ressource Stadtboden zu unterstützen.

Mikroorganismen übernehmen zentrale Funktionen im Boden, da sie die Umwandlung und Mineralisierung natürlicher Verbindungen und der Xenobiotika kontrollieren. In städtischen Ökosystemen werden chemische und physikalische Bodeneigenschaften sehr stark vom Menschen verändert. Dies hat auch Auswirkungen auf Wachstum und Aktivität der Mikroorganismen. Auch deren Nahrungsgrundlage, die organische Bodensubstanz wird durch den Eintrag unvollständig verbrannter Kohlenstoffverbindungen (Cpyr) beispielsweise in Form von Ruß und Holzkohle beeinträchtigt.

Mikrobielle Indikatoren für die Bewertung der Lebensraumfunktion sind immer noch in der Diskussion. Neben dem mikrobiell gebundenem Kohlenstoff und dem im Boden gebundenen organischen Kohlenstoff (Cpyr+Corg), wurde eine Reihe weiterer Parameter vorgeschlagen. Allerdings gibt es bislang auch für natürliche Böden keinen Konsens über die zur Bewertung geeigneten mikrobiellen Parameter.

In dieser Untersuchung wurden deshalb in enger Zusammenarbeit mit dem Institut für Bodenkunde und dem Institut für Landschafts- und Pflanzenökologie, die mikrobielle Biomasse und Aktivität in den oberen Bodenhorizonten an zehn Standorten in Stuttgart über drei Vegetationsperioden untersucht. Der mikrobiell gebundene Kohlenstoff (Cmic) wurde mittels der CFE und der SIR Methode bestimmt (teilweise nach DIN ISO), der mikrobiell gebundenem Stickstoff (Nmic) mittels der CFE Methode. Die Aktivität wurde durch Messungen der Dehydrogenaseaktivität, potenziellen NH4-Oxidation sowie der anaeroben bzw. aeroben N-Mineralisation charakterisiert, zusätzlich mit DIN ISO Methoden. Außerdem wurden die Aktivitäten der Arylsulphatase, Urease und alkalischen Phosphatase bestimmt, auch vor dem Hintergrund ihrer möglichen Empfindlichkeit gegenüber Schwermetallen. Besonderer Augenmerk wurde auf die Qualität der organischen Bodensubstanz und die Schwermetallgehalte gelegt. Mikrobielle Parameter auf Flächenbasis unter Berücksichtigung der Steingehalte und Lagerungsdichten bildeten zusammen mit bodenchemsichen und –physikalischen Eigenschaften die Basis für die Bewertung der Lebensraumfunktion für Bodenmikroorganismen.

Die untersuchten Böden wiesen sehr unterschiedliche Eigenschaften auf. Das Spektrum reichte von Rohboden eines stillgelegten Bahnareals über naturnahen Boden in der Nähe eines Einzelhauses, verfüllte und durchmischte Böden in Blockbebauungen, Parkanlagen und einer Kleingartenanlage bis zu fast ungestörten Boden in einem Hausgarten. In Abhängigkeit von Nutzungsgeschichte und besonders der Folgen des 2. Weltkriegs waren die Schwermetallgehalte erhöht.

Aus Verbrennungsprozessen stammender Kohlenstoff war oft zu hohen Anteilen in Oberböden Stuttgarts vorhanden. Dies deutet auf deutlich abweichendes Verhalten gegenüber Schadstoffen und mikrobieller Aktivität hin. Schwermetalle hatten keinen negativen Einfluß auf mikrobielle Biomasse und Aktivität möglicherweise wegen der hohen Gehalte an Ton und organischer Substanz und hoher pH-Werte. Die ökotoxikologische Bewertung der Lebensraumfunktion für Mikroorganismen ist jedoch unvollständig, da keine Daten über organische Schadstoffe zur Verfügung standen.

Die mikrobielle Biomasse und Aktivität auf Flächenbasis war im Boden des Bahnareals am niedrigsten und im Garten 2 und der Parkanlage 1 am höchsten. Die weiteren Standorte lagen dazwischen. Die Bestimmung von Cmic als einzigen Parameter reicht möglicherweise aus die Lebensraumfunktion zu charakterisieren wenn bei der Bewertung keine hohe Genauigkeit aus zeitlichen und finanziellen Gründen verlangt wird.

Zur Klassifizierung und Bewertung der Stadtböden aus Stuttgart wurden die mikrobiellen Variablen in der synthetischen Variablen mikrobielles Potenzial aggregiert wobei Biomasse und Aktivität gleichermaßen Berücksichtigung fanden. Aufgrund der Häufigkeitsverteilung wurden fünf Klassen der Erfüllung der Lebensraumfunktion (sehr gering, gering, mittel, hoch, sehr hoch) ausgeschieden. Der Boden des Bahnareals wies demnach eine sehr geringe bis geringe Erfüllung der Lebensraumfunktion für Mikroorganismen auf wohingegen der Boden des Gartens 2 eine hohe bis sehr hohe und der Boden der Parkanlage 1 eine sehr hohe Funktionserfüllung aufwiesen. Die anderen Standorte wiesen vor allem mittlere Qualitäten auf. Für eine fundierte Abschätzung der mikrobiellen Biomasse und Aktivität in Oberböden der Stadt Stuttgart sollten zumindest die Nt- und Ton-Vorräte, die potenzielle KAK auf Flächenbasis, und die (Cpyr+Corg)-zu-Nt Verhältnisse bestimmt werden. Weder Cpyr+Corg noch Cpyr alleine noch Corg alleine wiesen einen Zusammenhang mit mikrobieller Biomasse und Aktivität auf.

Zur Integration der Lebensraumfunktion für Bodenmikroorganismen in das übergeordnete Bewertungsschema des Instituts für Bodenkunde werden drei Vorschläge unterbreitet, die sich in Aufwand und Genauigkeit unterscheiden. Ist eine Grobbewertung der Böden aus Stuttgart ausreichend, so genügt die Klassifikation und Abschätzung der mikrobiellen Biomasse anhand des Ausgangsmaterials und der Bodenentwicklung. Bei der aufwändigeren Variante werden die mikrobiellen Potenziale allein aus abiotischen Bodendaten (Lagerungsdichte, Gehalte an Steinen, Nt und Ton sowie potenzieller KAK) mittels eines abgeleiteten Regressionsmodells berechnet. Die Bewertung der Lebensraumfunktion erfolgt nach Klasseneinteilung. Das aufwändigste Verfahren hat DIN ISO Bestimmungen für Cmik (CFE, SIR), N-Mineralisation, NH4-Oxidation und der Dehydrogenaseaktivität zur Grundlage. Unter Berücksichtigung der Lagerungsdichten und Steingehalte wird anschließend das mikrobielle Potenzial berechnet, klassifiziert und damit die Lebensraumfunktion für Bodenmikroorganismen charakterisiert.