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Erzeugung simultan-synthetischer Niederschlagsreihen hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung für Baden-Württemberg

Bild der Titelseite der Publikation: Erzeugung simultan-synthetischer Niederschlagsreihen hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung für Baden-Württemberg

Brommundt, J.; Bárdossy, András

2008

Projektbericht - Abschlussbericht

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Beschreibung

Die vorliegende Arbeit beschreibt die Entwicklung eines Simulators zur Erzeugung simultaner stochastischer Niederschlagszeitreihen, seine Implementierung und erfolgreiche Anwendung.

Mit dem stochastischen Niederschlagszeitreihengenerator NiedSim steht bisher in Baden-Württemberg ein System zur Erzeugung 30 Jahre langer Niederschlagszeitreihen in Fünfminutenauflösung zur Verfügung. Diese Punktniederschlagszeitreihen sind repräsentativ für das Niederschlagsverhalten an dem Ort, für den sie generiert werden. Näherungsweise werden sie auch das Verhalten des Niederschlags in der Nachbarschaft einer Station noch gut abbilden. Je größer die Entfernung wird, umso zweifelhafter wird jedoch diese Annahme. Deshalb braucht man für größere Gebiete zwei oder mehr simultane Niederschlagszeitreihen, um auch die räumliche Variabilität des Niederschlags zu erfassen.

NiedSim, das am Institut für Wasserbau von Professor Bárdossy entwickelt wurde, basiert auf einem nicht-parametrischen Generierungsansatz. Aus regionalisierten ortsspezifischen Niederschlagseigenschaften wird zufällig eine Reihe von Stundenwerten erzeugt, die in einer Optimierung so lange rearrangiert werden, bis die Zeitreihe die gewünschten - langfristig beobachteten - statistischen Eigenschaften besitzt. Anschließend kann die erzeugte Reihe zu Fünfminutenwerten disaggregiert werden, was nach einem ähnlichen Schema abläuft.

Von dieser Methode ausgehend werden zunächst statistische Eigenschaften des räumlichen Zusammenhangs erarbeitet, die bei der simultanen Generierung berücksichtigt werden müssen. Das Projektgebiet umfasst weiterhin das gesamte Land Baden- Württemberg, so dass die räumlichen Verteilungen dieser statistischen Eigenschaften landesweit zur Verfügung stehen müssen. Zu den damit vorgegebenen zeitlich und räumlich verteilten statistischen Parametern wird ein Generierungs- und Disaggregationsschema zur Erzeugung der simultanen Zeitreihen für mehrere Orte auf Basis des existierenden Systems erstellt und getestet.

Aus der späteren Anwendung der erzeugten Niederschlagszeitreihen in hydrologischen Modellen ergibt sich, dass die Nachbildung von Extrema und größeren Niederschlägen besondere Bedeutung haben muss, da diese die schlimmsten Auswirkungen haben. Des Weiteren hat sich herausgestellt, dass die Zugrichtung von Niederschlägen eine große Rolle bei der Reaktion des Einzugsgebiets auf ein Niederschlagsereignis spielt. Zur Nachbildung des allgemeinen Zusammenhangs des Niederschlags an mehreren Stationen wird die Korrelation verwendet. Im vorhandenen System wird die Korrelation zu einer Referenzstation in Tages- und Stundenauflösung berücksichtigt. Im neuen System wird zusätzlich die Korrelation der Stationen untereinander beachtet. Diese ist für unbekannte Stationen aus Regionalisierungsmodellen zu ermitteln.

Zur Regionalisierung der Korrelation der Tageswerte wird in dieser Arbeit ein neuer Kriging-Ansatz entwickelt. In dem vierdimensionalen Raum, den die vier Ortskoordinaten der Stationspaare aufspannen, wird die Korrelation direkt aus den Messdaten aller beobachteten Stationspaare mit Ordinary und External Drift Kriging berechnet. Beide Techniken liefern sehr gute Interpolationsergebnisse. Die Korrelation der Stundenwerte unbekannter Stationen sollte ebenfalls mit dieser Technik interpoliert werden, was jedoch fehlschlug. Stattdessen wurde ein Ansatz zur Ableitung der Korrelation von Stundenwerten aus Radardaten des Deutschen Wetterdienstes getestet. Dazu werden Radar- und Niederschlagsstationsdaten in die Standardnormalverteilung transformiert. Die Korrelation der transformierten Daten ist an den Niederschlagsmessstationen direkt von den Radar- auf die Stationsdaten übertragbar. Mit Hilfe der Gammaverteilung der Niederschlagshöhe wird die aus den normaltransformierten Radardaten ermittelte Korrelation in die Korrelation gemessener Niederschlagsdaten rücktransformiert. Das entwickelte Regionalisierungsmodell lieferte jedoch leider nicht so gute Ergebnisse, wie ein Modell, das auf der Ableitung der Korrelation der Stundenwerte aus der regionalisierten Korrelation der Tageswerte und dem Stationsabstand durch eine Regression beruht. Die Methodik bietet jedoch Potential und sollte in einem kleinräumigeren Versuch mit höherwertigen Radardaten weiter getestet werden.

Neben der Korrelation soll das besondere Verhalten von Extrema berücksichtigt werden. Der Niederschlag an einem Punkt kann sehr hohe Werte erreichen. Mittelt man jedoch die Niederschlagshöhe über mehrere Stationen, so ergibt sich abhängig von der Lage der Stationen zueinander ein gegenüber dem Extremum am Einzelpunkt geringerer Wert. Diese Abminderung kann in einem Abminderungsfaktor gefasst werden, der das Verhältnis zwischen Einzelextrem und dem Extremum räumlich gemittelter Niederschläge herstellt. Er variiert mit der Fläche (= Anzahl der Stationen, über die gemittelt wird), der Dauer und der Wahrscheinlichkeit des Niederschlags. Für Baden-Württemberg wurde aus den Radardaten der räumliche Abminderungsfaktor als Funktion der drei genannten Einflussgrößen bestimmt und in eine landesweit einheitliche Funktion gefasst.

Als dritte Einflussgröße wurde die Zugrichtung und -geschwindigkeit von Niederschlagsfeldern untersucht. Diese wurde wiederum aus den Radardaten tageweise bestimmt. Das großflächige Niederschlagsgeschehen hängt von der herrschenden Großwetterlage ab, deren Zeitreihe in NiedSim hinterlegt ist. Für die aus den Radardaten berechneten Zugdaten konnte erfolgreich ein Zusammenhang zu den hinterlegten Großwetterlagen hergestellt werden, so dass auch für die unbeobachtete Vergangenheit, in der keine Zuginformationen vorliegen, aus der Großwetterlage das Zugverhalten der Niederschläge erfasst werden kann.

Diese drei zeitlich-räumlichen Informationen werden bei der simultanen Generierung berücksichtigt. Sie beginnt mit dem Auslesen alle ortsspezifischen statistischen Vorgabewerte aus den Regionalisierungsmodellen. Zunächst wird jede einzeln Zeitreihe in wenigen Schritten initialisiert. Anschließend erfolgt die simultane Generierung in einem iterativen Verfahren nach dem ‘Simulated Annealing‘-Algorithmus: Eine Zeitreihe wird zufällig ausgewählt und durch Austausch zweier Werte variiert. Der Einfluss dieses Austausches wird in einer Zielfunktion gemessen, die die Abweichungen der Eigenschaften der Zeitreihe von ihren Vorgabewerten, aber auch die Eigenschaften des zeitlich-räumlichen Zusammenhangs - Korrelation, räumliche Extrema, Niederschlagszug - und deren Abweichung von den Vorgaben misst. Durch Minimierung der Zielfunktion werden simultane Zeitreihen des stündlichen Niederschlags erzeugt.

Die simultane Disaggregation verwendet die simultanen Zeitreihen der Stundenwerte als Eingangsgröße. Bei der Disaggregation werden nur das räumliche Extremwert und das Zugverhalten berücksichtigt. Abgesehen von der Austauschtechnik ist der Ablauf der Disaggregation mit der Generierung identisch.

Der entwickelte Zeitreihengenerator wurde an Hand von drei Fallstudien getestet. Zunächst wurden Aufzeichnungen dreier Messstationen mit drei dazu generierten simultanen Zeitreihen verglichen. Die generierten Zeitreihen bilden trotz schwieriger Randbedingungen das Verhalten der Niederschläge gut ab.

Anschließend wurde im Stadtgebiet von Karlsruhe, für dessen Kanalisation ein sehr gutes Kanalnetzmodell vorliegt, der Einfluss einer ungleichmäßigen Überregnung auf die Stadtentwässerung untersucht. Im Vergleich zur Überregnung mit einer Einzelmessung konnte der entwickelte Generator zeigen, dass die Bemessung mit räumlich variablen Niederschlägen dazu beitragen kann, die Sicherheit eines Kanalsystems differenzierter zu prüfen und ein besseres Systemverständnis zu erlangen. Abschließend wurde der Einsatz des simultanen Generators bei der hydrologischen Modellierung kleiner Einzugsgebiete erprobt. Das hydrologische Niederschlag-Abfluss- Modell zweier Teileinzugsgebiete einer Wasserkraftanlage wurde mit simultanen Niederschlagszeitreihen überregnet, so dass die gleichzeitigen Bemessungsabflüsse an dem Auslass beider Gebiete betrachtet werden konnten. Auch hier stellte sich heraus, dass die räumlich differenzierte Untersuchung geringere Bemessungswerte und somit höhere Sicherheiten als bei einheitlicher Überregnung mit Modellregen ergibt. Der erstellte Generator erweist sich in den Musteranwendungen als nützliches Werkzeug zur genaueren Nachbildung der im natürlichen Niederschlag beobachteten Variabilität. Mit Hilfe der räumlich differenzierten Eingangsdaten kann eine Schwäche bei der möglichst realitätsnahen Modellierung des Niederschlag-Abfluss-Verhaltens abgemildert werden. Zum Anderen können unbekannte Reserven existierender Systeme quantifiziert und das allgemeine Systemverständnis verbessert werden. Auch die entwickelten Ansätze und Methoden sind flexibel weiter verwendbar. Die für die Korrelation der Tages- und Stundenwerte entwickelten Regionalisierungsmethoden können auf andere Länder und andere Niederschlagsmodelle übertragen werden. Die abgeleitete Beziehung für den Abminderungsfaktor örtlicher Extremwerte in Abhängigkeit von der Fläche, Dauer und Jährlichkeit ist auch für andere Berechnungen einsetzbar, solange keine besseren, lokalen Messwerte vorliegen. Auch hier wäre eine Übertragung auf andere Gebiete interessant.