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Evaluation und Begleitung der Umsetzung der Energieeinsparverordnung 2002 in Baden-Württemberg

Bild der Titelseite der Publikation: Evaluation und Begleitung der Umsetzung der Energieeinsparverordnung 2002 in Baden-Württemberg

Duscha, Markus; Münster, J.; Jungmann, U.; Lambrecht, Klaus; Bliss, U.; Hertle, H.; Jahn, D.

2006

Projektbericht - Abschlussbericht

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Beschreibung

Um die erheblichen CO2-Minderungspotenziale im Wohngebäudebereich umzusetzen wurde Anfang 2002 die Energieeinsparverordnung (EnEV) in Deutschland eingeführt. Diese brachte zum einen eine erweiterte integrierte Betrachtungsweise von Gebäude und Anlagentechnik mit sich. Dadurch ergaben sich erhöhte Anforderungen u.a. an Anlagenplaner und Architekten. Zum anderen wurde der Bauprozess weitgehend dereguliert. Für die Umsetzung der EnEV bedeutet dies, dass sich der Bauprozess vor allem zwischen den jeweiligen betroffenen Akteuren auf privater Basis regeln soll, da der Staat sich als Kontrollinstanz weitgehend zurückzieht.

Es bestand daher Bedarf, die Umsetzung der EnEV-Einführung im Neu- und Altbau kritisch zu begleiten und deren Erfolg im Hinblick auf die Erreichung der Klimaschutzziele zu evaluieren. Dies war Inhalt des vorliegenden Projektes, das vom Baden-Württemberg im Rahmen der Zukunftsoffensive III gefördert wurde. Das ifeu-Institut Heidelberg untersuchte zusammen mit ECONCEPT Rottenburg die Umsetzung der EnEV in Baden-Württemberg.

Im Rahmen von umfangreichen Recherchen und Befragungen wurde sowohl die Angebotsseite (Ministerien, Bauämter, Architekten, Ingeniere, Handwerker, Hersteller), als auch die Nachfrageseite über die Erfahrungen mit der EnEV im Wohnungsneubau und –bestand befragt.

Zu Beginn der Studie erfolgte eine Bestandsaufnahme der unterschiedlichen Vollzugsregelungen in den einzelnen Bundesländern. Dabei hat sich gezeigt, dass die Deregulierungsbemühungen im Rahmen der EnEV dazu geführt haben, dass auf behördliche Prüfungen der Nachweise und Energiebedarfsausweise sowie auf behördliche Kontrollen der Bauausführung weitgehend verzichtet wird. Die Recherchen und Befragungen der Akteure am Bau im Rahmen des vorliegenden Projektes haben allerdings ergeben, dass die Verlagerung der Verantwortung auf die privatrechtliche Seite nicht als ausreichend für die Einhaltung der EnEV angesehen wird. So wurde häufig angemerkt, dass das jetzige System auf Grund der fehlenden Kontrolle Fehlentwicklungen begünstigt, da Marktakteure, welche die Regeln nicht einhalten, kaum mit Konsequenzen zu rechnen haben.

Die Befragung der Angebotsseite hat auch gezeigt, dass sich mit Einführung der EnEV die integrierte Planung auf Seiten der Architekten und Ingenieure zwar leicht verstärkt hat, an der Schnittstelle zum Handwerker zum Teil aber sogar zu einer geringeren Austausch geführt hat.

Grundsätzlich fühlen sich die Marktakteure allerdings gut für die EnEV gewappnet. Qualifizierungsbedarf wird eher beim anderen Marktakteur gesehen. Eindeutig sind die Akteure allerdings der Meinung, dass der Hausbesitzer zu wenig über die Themen am Bau informiert ist.

Die Befragungen haben aber auch gezeigt, dass es mit Einführung der EnEV, vermutlich durch die Verschärfung der Bauteilanforderungen, zu einer erheblichen Anhebung der Dämmstärken im Gebäudebestand kam. Allerdings werden auch heute noch bei einer Sanierung der Außenfassade der Gebäude der Grossteil ohne Einbringen einer Wärmedämmung vorgenommen.

Wird das theoretische Minderungspotenzial für den Wohngebäudebestand in Baden-Württemberg auf Basis der EnEV-Bauteilanforderungen berechnet, ergeben sich etwa 575 GWh jährlich. Auf Grund verschiedener Restriktionen ergibt sich allerdings ein maximales realistisches Minderungspotenzial durch Dämmmaßnahmen in Baden-Württemberg von etwa 250 GWh jährlich.

Im Wohngebäudebestand Baden-Württembergs kommt es in den nächsten Jahren durch Dämm-Maßnahmen im Rahmen der EnEV daher nicht zur Umsetzung der theoretisch möglichen wirtschaftlichen Potenzials von jährlich etwa 176.000 Tonnen CO2 sondern, je nach Annahme des Vollzugsdefizits, nur von 58.000 bis 77.000 Tonnen. Von den jährlichen CO2Minderungspotenzialen im Heizanlagenbereich sind etwa 68.000 bis 90.000 Tonnen (u.a. durch die Pflicht zur Außerbetriebsetzung alter Kessel Vorschrift zur nachträglichen Leitungsdämmung) durch die EnEV induziert.

Insgesamt kommt es, je nach Güte des Vollzugs, durch nachträgliche Dämmmaßnahmen und EnEV-induzierte Maßnahmen im Bereich der Anlagentechnik zu einer CO2-Minderung im Gebäudebestand Baden-Württembergs zwischen jährlich etwa 130.000 und 170.000 Tonnen.

Um die gesamten wirtschaftlichen Potenziale umzusetzen müssen auch vom Land Baden-Württemberg zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden.

  1. Das Land Baden-Württemberg sollte darauf hinwirken, dass sowohl die EnEV, als auch die Auslegungsbedingungen der EnEV an die aktuelle Energiepreisentwicklung angepasst werden. Kurzfristig sollten auf nationaler Ebene die Dämmstandards angehoben werden, langfristig sollten nachhaltige Standards (z.B. KfW-40 oder KfW-60 mit etwa 10 kg CO2 pro m² Gebäudenutzfläche und Jahr) zumindest im Neubau eingeführt und umgesetzt werden.
  2. Auf Landesebene sollte der Vollzug der EnEV noch optimiert werden. Auf Basis eines Ländervergleichs, verschiedener Akteursbefragungen und eines Abschlussworkshops wurde klar, dass die EnEV ein zahnloser Tiger bleibt, wenn die Umsetzung nicht durch Qualitätskontrollen unterstützt wird. Daher gibt es eine breite Mehrheit der Akteure in Baden-Württemberg, die zumindest eine stichprobenartige Kontrolle der Energieausweise und der Bauausführung seitens der Behörden als sinnvoll und praktisch umsetzbar erachten. Der Anteil an Stichproben sollte bei 1-2 % der Bauvorhaben festgelegt werden.
  3. Zusätzlich sollten der Bezirksschornsteinfegermeister im Neubau und Gebäudebestand die nach EnEV geforderten Erklärungen und Bescheinigungen sowie die Einhaltung der Nachrüstpflichten (u.a. Dämmung der Obergeschossdecke; Erneuerung der Heizungsanlage, Dämmung der Verteilleitungen) prüfen.

Weitere Optionen, wie die Prüfung des Energiebedarfsausweises sowie die Bescheinigung auf Vollständigkeit und Richtigkeit durch einen unabhängigen Sachverständigen in allen Fällen (Beispiel Brandenburg) halten wir zur Zeit in Baden-Württemberg nicht für umsetzbar. Ebenfalls schwer zu realisieren ist der Ansatz, die Aussteller des Energiepasses anhand einer Checkliste zusätzlich die Einhaltung der geforderten Nachrüstverpflichtungen der EnEV im Bestand kontrollieren zu lassen, da das zur Zeit diskutierte Optionsmodell1 des Bauministeriums keine ausführliche Vor-Ort-Begehung im Rahmen eines Bedarfsausweises in allen Fällen vorschreibt.

Je weniger ordnungsrechtliche Maßnahmen eingeführt werden, desto wichtiger werden allerdings weitere begleitende Maßnahmen zur EnEV, die auf freiwilliger Basis die Umsetzung der EnEV fördern.

Daher müssen die ordnungsrechtlichen Maßnahmen durch weitere Instrumente ergänzt werden.

Folgende Module schlagen wir für das Land Baden-Württemberg zusätzlich vor:

  1. In den ersten drei Jahren der Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie sollten die Einführung von Energieausweisen durch Förderung eines Premium-Produkts Energieberatung unterstützt werden, sofern dessen Ersteller das „integrale" Coaching erfolgreich absolviert hat und sich einer Qualitätssicherung unterzieht hat.
  2. Zur Unterstützung der Zusammenarbeit zwischen den Akteuren am Bau sollte das „integrale" Coaching gefördert werden. Im Rahmen dieses Modells sollten für jeden Berater die ersten drei Energieberatung durch Informations-, Beratungs- und Kommunikationsangebote gefördert werden, sofern sie von mindestens zwei unterschiedlichen Berufgruppen durchgeführt werden und gewissen Qualitätskriterien entsprechen.
  3. Zur Qualitätssicherung der Energieberatung schlagen wir ein verbandsübergreifendes Qualitätssiegel vor, das einen Mindeststandard der Beratungsleistung garantieren soll. Das Qualitätssiegel für Baden-Württemberg kann auf bestehenden Qualitätssicherungsinstrumenten aufbauen und sollte mit Angeboten auf Bundesebene abgestimmt werden.
  4. Insbesondere für die Besitzer von Ein-/Zweifamilienhäusern und kleinen Mehrfamilienhäusern sollte ein Sanierungsstandard für Baden-Württemberg definiert und fortgeschrieben werden, der klare Zielvorgaben und zugleich eine Entscheidungshilfe für Sanierungspläne bietet. An Hand von Sanierungsbeispielen typischer Gebäude sollten die jeweils sinnvollen Sanierungsmaßnahmen unter Einbeziehung der aktuellen Energiepreise und Förderbedingungen dargestellt und den Energieberatern und Verbrauchern zur Verfügung gestellt werden.
  5. Zur Information der Gebäudebesitzer sollten flächendeckend Kurse zu aktuellen Sanierungsthemen angeboten werden. Diese Kurse sollten zentral entwickelt und verbreitet werden, so dass Energieberater sie ohne großen Aufwand für Vorträge, z.B. im Rahmen von VHS-Kursen, nutzen können. Die Vortragsmaterialien sollten zusammenfassende Handouts für die Teilnehmer, Power-Point-Folien und Referentenleitfäden enthalten und jährlich aktualisiert werden.
  6. Neben der Evaluation der EnEV wurden im Rahmen des Projektes auch umfangreiche Materialien zu Information über die EnEV (Berechnungsmethoden, Softwarevergleich etc.) und aktuelle Fortbildungsmaßnahmen in Baden-Württemberg zusammen gestellt.

Der Entwurf des Referentenentwurf /Ornth 2006/ sieht zur Zeit vor, dass zwischen einem Energieausweis auf Basis des tatsächlichen Energieverbrauchs und des berechneten Energiebedarfs gewählt werden kann.