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Untersuchungen zur Rolle des Waldes und der Forstwirtschaft im Kohlenstoffhaushalt des Landes Baden-Württemberg

Bild der Titelseite der Publikation: Untersuchungen zur Rolle des Waldes und der Forstwirtschaft im Kohlenstoffhaushalt des Landes Baden-Württemberg

Hartebrodt, Christoph; Zell, J.; Pistorius, T.

2006

Projektbericht - Abschlussbericht

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Beschreibung

In dem Projekt "Untersuchungen zum Kohlenstoffhaushalt der Wälder Baden-Württembergs" wurde ein "Full Carbon Accounting"-Ansatz entwickelt und mit verschiedenen Modellen berechnet. Anhand der vollständigen Bilanzierung aller relevanten C-Speicher im Wald auf Basis der IPCC-Vorgaben zur internationalen THG-Berichterstattung konnte gezeigt werden, dass der Wald in Baden-Württemberg zur Zeit eine bedeutende Senke für C ist. Die Veränderungen der C-Vorräte im Wald wurden nach der "Stock-change method" mit den Einzelbaumdaten der BWI quantifiziert. Es wurde das im NIR verwendete Verfahren der Volumenexpansion der Einzelbäume angewendet und dafür ein Gesamtfehler von rd. 8% berechnet.

Zusätzlich wurde ein Holzproduktmodell entwickelt, um die Veränderungen der Holzproduktspeicher in die Betrachtung zu integrieren. Auf dieser Basis konnten außerdem die Substitutionseffekte quantifiziert werden, die entstehen, wenn Holz als Material oder Energieträger eingesetzt wird. Ziel einer vollständigen Betrachtung des Forst- und Holzsektors durch die zusätzliche Berücksichtigung der Technosphäre ist die Beantwortung der Frage, ob es aus Sicht des Klimaschutzes sinnvoller ist, einen Wald nachhaltig und intensiv zu bewirtschaften oder durch Extensivierung der Bewirtschaftung höhere Vorräte in der Biomasse aufzubauen. Dazu wurde der sog. "Production approach" gewählt, der im Gegensatz zur geltenden Berichterstattungslogik die Produktspeicher mit einbezieht, aber den Handel ausblendet. Der Ansatz wird dafür kritisiert, dass er das Kyotoprinzip der Zurechnung von Emissionen an den Ort ihrer Entstehung verletzt. Deswegen kann er nicht für eine Anrechnung innerhalb der Berichterstattung verwendet werden. Für eine Bewertung der Klimaschutzleistung eines nachhaltig bewirtschafteten Waldes ist er jedoch geeignet, weil das dort produzierte Holz berücksichtigt wird und Importe ausgeblendet werden.

Im Zeitraum von 1987 bis 2002 hat der Gesamtvorrat an C trotz der Jahrhundertstürme von 1990 und 1999 um 8,3 Mio. t C auf 171,7 Mio. t C zugenommen. Die Produktspeicher haben um 12,7 Mio. t C auf 49,5 Mio. t C zugenommen. Die Zunahme der Vorräte der Waldbiomasse und der Produktspeicher haben zusammen ca. 6,6% der Emissionen Baden-Württembergs in diesem Zeitraum wieder eingebunden. Die Substitutionseffekte durch energetische Nutzung von Altholz, SNP und Waldholz haben in diesem Zeitraum 16,8 Mio. t C-Emissionen verhindert – unter der Annahme, dass diese Energie durch Verbrennung von Öl erzeugt worden wäre. Dazu kommen weitere 6,4 Mio. t vermiedener C-Emissionen durch die Nutzung von Holz als langlebigem Produkt. Diese rd. 23,2 Mio. t vermiedenen C-Emissionen haben einen hypothetischen Mehrausstoß von 7,3% vermieden. Außerdem wurden die Totholzvorräte, der C der Auflage und der Böden mit dem Modell YASSO und einer multiplen Regression auf Basis der BZE-Daten für das Jahr 2002 quantifiziert, um eine vollständige Bilanzierung zu ermöglichen.

Das Modell WEHAM wurde um ein Modul zur Berechnung von C-Vorräten erweitert, um Aussagen zu treffen, wie sich die C-Vorräte in den Speichern unter drei verschiedenen Szenarien bis zum Ende der ersten VP entwickeln. Sie unterscheiden sich im Grad der Nutzung und führen zu stark differierenden Ergebnissen in den einzelnen Speichern und Substitutionseffekten. Die Ergebnisse der drei Szenarien unterstreichen die Bedeutung des Waldes als C-Speicher. Der für die Gesellschaft erbrachte Beitrag zum Klimaschutz lässt sich jedoch zur Zeit nicht in Wert setzen. Gleichzeitig internalisieren Waldbesitzer durch klimawandelbedingte Kalamitäten und reduzierte Produktivität die negativen externen Effekte aller Wirtschaftssubjekte. Die bestehenden Instrumente der Klimapolitik sind nicht geeignet, um diesen umweltpolitischen Interessenskonflikt auszugleichen. Eine Honorierung für Waldbesitzer, die eine aus Sicht des Klimaschutzes optimale Waldbewirtschaftung umsetzen und dafür ökonomische Konsequenzen in Kauf nehmen, könnte die Betroffenen- und Helferinteressen der Forstwirtschaft angemessen berücksichtigen. Daher wird eine Methodik vorgeschlagen, wie ein Anreizsystem entwickelt und C-Speicherleistungen als Fördertatbestand abgegolten werden können.

Oberstes Ziel jeder Waldbewirtschaftungsstrategie muss unter Antizipation der zu erwartenden Veränderungen der klimatischen Bedingungen eine Stabilisierung der Bestände und eine schonende, nachhaltige Nutzung sein. Während genutzte Wälder im Unterschied zu ungenutzten Wäldern nicht so hohe Vorräte in der Biomasse aufbauen, führt die Verwertung des geernteten Holzes in Produkte und Energie zu einem leicht steuerbaren Speicher außerhalb des Ökosystems und zu Substitutionseffekten. Es handelt sich um einen Abwägungsprozess, welcher Bewirtschaftungsgrad gewählt werden sollte. Dieser sollte auf möglichst kleinräumlicher Ebene stattfinden, damit die anderen Ziele der Bewirtschaftung und Ansprüche der Gesellschaft an den Wald berücksichtigt werden können. Dabei ist zu bedenken, dass ab einem bestimmten Vorratsniveau das Sturmrisiko ebenfalls signifikant steigt.

Nachhaltige Forstwirtschaft mit intensiver Holznutzung stellt zusammen mit dem Schutz bestehender hoher C-Vorräte in Primärwäldern und großflächiger Wiederaufforstung zerstörter und degradierter Waldflächen ein effizientes Instrument dar, um die Atmosphäre zu entlasten. Der Klimawandel wird durch die Verbesserung der Senkenleistung verlangsamt. Damit wird Zeit für die Einführung alternativer Energiequellen und Produktionsmethoden gewonnen. Die Vegetation hat ebenfalls mehr Zeit, sich an veränderte Bedingungen anzupassen und es entstehen eine Reihe positiver externer Effekte. Nachhaltig produziertes Energieholz ist fast CO2-neutral und kann fossile Energieträger ersetzen, deren ungehemmte Verbrennung neben der Waldzerstörung die Hauptursache für den Klimawandels ist. Ein Verzicht auf dieses Instrument schlägt sich nicht nur in naturalen "Mehr-Emissionen" nieder, sondern führt auch zu monetären Belastungen der Volkswirtschaft in beachtlichen Größenordnungen.