PUDI Details

angle-left Zurück

Entwicklung und praktische Erprobung eines einfachen Screening-Systems für estrogenartig wirkende Umweltchemikalien

Bild der Titelseite der Publikation: Entwicklung und praktische Erprobung eines einfachen Screening-Systems für estrogenartig wirkende Umweltchemikalien

Körner, W.

1999

Projektbericht - Abschlussbericht

PDF Download

Beschreibung

Im Rahmen dieses Projektes konnte ein einfach durchzuführendes Screening-System zum quantitativen Nachweis estrogenartiger Wirkungen von Einzelstoffen und Umweltproben erfolgreich etabliert werden. Es beruht auf der Proliferationsmessung estrogenrezeptor(ER)-positiver menschlicher MCF-7-Brustkrebszellen im Vergleich zu Kontrollen mit und ohne 17b -Estradiol (E2). Bei einer Nachweisgrenze für E2 von 1 pmol/L (0,27 ng/L) und einer EC50 von 4 - 9 pmol/L gibt es derzeit kein empfindlicheres routinemäßig einsetzbares Testsystem. Gegenüber der Originalmethode von A. Soto ("E-Screen"-Assay) wurden wesentliche Standardisierungen und Vereinfachungen eingeführt; so gelang z.B. die Miniaturisierung des Tests (Durchführung in 96-Well-Mikrotiterplatten). Darüberhinaus konnten weitere Veränderungen eingeführt werden, welche das Anwendungsgebiet und die Aussagekraft des Testsystems wesentlich erweitern:

So konnte gezeigt werden, daß die ER-positive humane Zellinie EFM-19 trotz langsameren Wachstums ähnlich empfindlich auf E2 reagiert wie die MCF-7-Zellinie und ebenfalls als Screening-System eingesetzt werden kann, wenn die Inkubationszeit auf zehn Tage verlängert wird. Nicht nur der Aufklärung des Rezeptor-abhängigen Wirkmechanismus sondern auch der Erhöhung der Spezifität im modifizierten E-Screen-Test dient der erstmals eingeführte routinemäßige Einschluß der Ko-Inkubation einer wirksamen Konzentration der Testsubstanz bzw. Umweltprobe zusammen mit einem ER-Antagonisten (5 µM Tamoxifen, 5 nM ICI 182.780). Diese Ko-Inkubation sollte zu einer kompletten Hemmung der induzierten Zellproliferation führen. Bei allen in unserem E-Screen-Assay estrogenartig wirkenden Einzelsubstanzen oder Extrakten von Umweltproben gelang durch Zugabe eines der beiden Antiestrogene die vollständige Hemmung der induzierten Zellproliferation. Die erstmalige Testung von phenolischen Stoffen mit struktureller Ähnlichkeit zu bekannten Xenoestrogenen ergab für einige Industriechemikalien (Tetrabrombisphenol-A, 4-Chlor-3-methylphenol, 4-Chlor-2-methylphenol, 2,4-Dibromphenol) eine schwache estrogenartige Wirkung.

Zur quantitativen Auswertung wird die estrogene Potenz einer Einzelsubstanz relativ zur Positivkontrolle E2 durch Vergleich der halbmaximal wirksamen Konzentrationen (EC50) bestimmt. Diese relative estrogene Potenz wird als "17b -Estradiol-Äquivalenzfaktor" (EEF) bezeichnet. Experimente mit zwei definierten Gemischen von jeweils drei Xenoestrogenen bestätigten das rechnerisch erwartete additive Verhalten der estrogenen Wirkung der Einzelstoffe. Somit läßt sich das Konzept der EEF auf Umweltproben übertragen und, in Analogie zur Handhabung der Toxizitätsäquivalenzfaktoren (TEF) bei den Ah-Rezeptor-Liganden, der Gesamtgehalt an estrogenartig wirkenden Stoffen als "17ß-Estradiol-Äquivalentkonzentration" (EEQ) ausdrücken. Extrakte von Umweltproben werden mit 50 µl des schwer flüchtigen DMSO versetzt und das Lösungsmittel vollständig entfernt. Um zytotoxische Effekte des DMSO zu vermeiden, muß mit steroidfreiem Kulturmedium auf 50 ml (1:1000) verdünnt werden. Bei einer Wasserprobe von 1 L resultiert somit ein Anreicherungsfaktor von 20; die Nachweisgrenze des E-Screen liegt somit bei 0,014 ng EEQ/L.

Mit dem E-Screen-Test wurden in Abläufen von zwei kommunalen Kläranlagen aus dem Großraum Stuttgart bei nahezu gleich starker Induktion der Zellproliferation wie 17b -Estradiol estrogene Gesamtaktivitäten von 1 bis 18 ng EEQ/L gefunden. Im Wasser der Körsch, die mehreren Kläranlagen als Vorfluter dient und deren Wasser im Mittel zu etwa 1/3 aus geklärtem Abwasser besteht, wurden ähnlich hohe estrogene Aktivitäten von 1 - 10 ng EEQ /L bestimmt. In einem nicht durch Kläranlagenabläufe belasteten Kontrollgewässer aus der gleichen Region wurde dagegen keine etsrogenartige Wirkung gemessen. Aus einem Sedimentkern des Bodensees zeigten die Aceton/Hexan-Extrakte von allen drei getesteten Schichten aus den Zeiträumen 1985-90, 1945-55 und 1900-15 eine ähnliche estrogene Aktivität: der Proliferationseffekt relativ zu E2 betrug bei einer Sedimentkonzentration von 40 g/L Kulturmedium 35 - 40 % (partieller Agonismus). Für die älteste Schicht kann die Wirkung nur durch die Präsenz von Naturstoffen erklärt werden, die im anaeroben Milieu des Sedimentes stabil sein können.

Insgesamt hat sich der von uns standardisierte und vereinfachte E-Sreen-Assay als empfindliches und reproduzierbar einsetzbares System zur quantitativen Messung estrogener und anti-estrogener Aktivität von Einzelsubstanzen und Umweltproben bewährt. Anwendungsmöglichkeiten sehen wir in der Umweltüberwachung, der Chemikalientestung sowie in der biomedizinischen Forschung.